Glyphosat: Wissenschaft als Spielball der Industrie

Testbiotech fordert Ausschluss industrienaher Experten aus FAO/WHO-Gremium
Dienstag, 31. May 2016

In einem Schreiben an die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert Testbiotech, dass industrienahe Experten aus dem Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) ausgeschlossen und die Standards für die Vermeidung von Interessenkonflikten verschärft werden. Anlass für diese Forderung ist die aktuelle Bewertung des Wirkstoffs Glyphosat durch das JMPR. Das Gremium, eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation und der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), kam in seiner Stellungnahme zu der Schlussfolgerung, dass der umstrittene Wirkstoff Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend sei, und widerspricht damit einer anderen Expertengruppe der WHO, die zuvor Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft hatte.

Wie Testbiotech in seinem Schreiben zeigt, haben sowohl der Vorsitzende des Gremiums, Alan Boobis, als auch der Berichterstatter, Angelo Moretto, langjährige, intensive Verflechtungen mit der Industrie und mit industrienahen Organisationen. Alan Boobis gehört seit vielen Jahren der Führungsebene des International Life Sciences Institute (ILSI) an, das von Chemie- und Lebensmittelkonzernen finanziert wird. Laut Informationen des englischen Guardian erhielt das ILSI allein im Jahr 2012 rund eine Million US-$ an Zuwendungen von dem Glyphosathersteller Monsanto und vom Weltdachverband der Gentechnik- und Agrochemieindustrie, CropLife International.

Wie weitere Recherchen zeigen, war Alan Boobis auch an Lobby-Aktivitäten der Tabakindustrie beteiligt. Sowohl Boobis als auch Moretto, der ebenfalls bei ILSI aktiv ist, wurden schon vor einigen Jahren aufgrund ihrer Verbindungen zur Industrie von der Mitarbeit an der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) ausgeschlossen. Offensichtlich sind dagegen die Standards des JMPR nicht ausreichend, um den Einfluss industrienaher Experten auszuschließen. Insgesamt identifizierte Testbiotech mindestens fünf JMPR-Experten, die an der jüngsten Bewertung von Glyphosat beteiligt waren und Kontakte zu ILSI und/ oder der Tabakindustrie haben oder hatten.

Das JMPR-Gremium stand auch in der Vergangenheit bereits im Fokus der Industrie: Im Jahr 2000 stellte die WHO in einem internen Report fest, dass die Tabakindustrie das JMPR unterwandert hatte. Die Tabakkonzerne wollten damals erreichen, dass ein bestimmtes Fungizid nicht als krebserregend eingestuft wird. Auch Experten des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das wie das JMPR der Auffassung ist, dass Glyphosat gesundheitlich unbedenklich sei, sind seit vielen Jahren im JMPR aktiv.

„Das Beispiel Glyphosat zeigt besonders deutlich, wie massiv die Industrie Einfluss auf Gremien und Wissenschaft nimmt, um ihre Interessen durchzusetzen. Generell fehlen ausreichende finanzielle Anreize für eine wirklich kritische und unabhängige Risikoforschung. In der Konsequenz werden die meisten Untersuchungen von der Industrie in Auftrag gegeben und Wissenschaftler ebenso wie viele Gremien zum Spielball der Industrie“, sagt Christoph Then für Testbiotech.

Kontakt: 

Christoph Then, Tel 0151 54638040, info@testbiotech.org

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