Themenübersicht

Biologische Vielfalt
Die Entwicklungen rund um die Gen- und Biotechnologie werfen grundlegende Fragen über unser Verhältnis zur belebten Natur auf. Zu den schützenswerten Lebensgrundlagen gehört auch das natürliche Erbgut der Artenvielfalt. Die heutige Artenvielfalt hat sich über Milliarden von Jahren aus einem gemeinsamen Ursprung in beständiger Koevolution entwickelt. Eine massenhafte Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen, die nicht durch die Evolution angepasst wurden, kann die Ökosysteme zum Kippen bringen und das Artensterben beschleunigen.
In Ländern wie den USA, Argentinien und Brasilien werden auf Millionen Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. In verschiedenen Regionen breiten sich die Gentechnik-Pflanzen bereits unkontrolliert in der Umwelt aus. Die Risiken des Anbaus für Mensch und Umwelt werden oft in Abrede gestellt, obwohl sich mehrfach gezeigt hat, dass die Folgen für die Umwelt deutlich unterschätzt wurden. Die Ernte dieser Pflanzen wird auch in die EU importiert und kann hier in Futtermitteln und auch Lebensmitteln verwendet werden.
Gentechnisch veränderte Tiere
Die Idee, den wirtschaftlichen Nutzen von Tieren mittels Gentechnik zu intensivieren, existiert schon seit längerer Zeit. Obwohl es bereits 1985 erste gentechnisch veränderte Schafe und Schweine gab, haben sich diese Anwendungen nicht durchgesetzt. Bislang werden nur gentechnisch veränderte Fische vermarktet, die schneller zunehmen sollen. Die Gentechnik ist darüber hinaus ein Treiber der steigenden Anzahl von Tierversuchen. Inzwischen werden in manchen Ländern auch gentechnisch veränderte Mücken freigesetzt, um deren natürliche Populationen zu dezimieren. In Zukunft könnten mittels sogenannter ‚Gene Drives‘ ganze Populationen unliebsamer Nagetiere und Insekten gentechnisch verändert oder ausgerottet werden.
Gentechnisch-veraenderte-Mikroorganismen-und-Viren
Gentechnik-Bakterien werden unter anderem dazu verwendet, um Enzyme und Vitamine für die Lebensmittelindustrie zu produzieren. Seit einigen Jahren werden innerhalb der Nahrungsmittel­produktion immer wieder Kontaminationen mit diesen Bakterien entdeckt. Daraus können sich Risiken für die Lebensmittelsicherheit ergeben. In Zukunft soll hier der Einsatz der Gentechnik ausgeweitet werden: – Beispielsweise sollen Gentechnik-Bodenbakterien den Ernteertrag steigern. – Es wird versucht, Bienen per Gentechnik-Darmbakterien resistenter gegen Pestizide zu machen. – Botenstoffe, die von Gentechnik-Mikroben produziert werden, sollen die Eigenschaften von Tieren und Pflanzen verändern (Paratransgenese). – Gentechnik-Viren könnten eingesetzt werden, um die Eigenschaften von Ackerpflanzen direkt auf den Feldern zu manipulieren. Diese möglichen Anwendungen gehen mit erheblichen Risiken für die Umwelt einher.
Gentechnik am Menschen und in der Medizin
Gentechnik im Bereich medizinischer Anwendungen und der pharmazeutischen Forschung ist ein weites Feld, das wir in ausgewählten Fällen bearbeiten können. Wir versuchen beispielsweise die Erteilung von Patenten auf die Verwendung menschlicher Embryonen zur Produktion von Stammzellen zu stoppen. Derartige Ansprüche sind nach dem Wortlaut der europäischen Patentgesetze ethisch unzulässig. Außerdem verfolgen wir die Diskussion um Eingriffe in die menschliche Keimbahn und eine wachsende Anzahl von Versuchen mit gentechnisch veränderten Versuchstieren.
Neue Gentechnik und ‚Genome Editing‘
Auch ohne das Einfügen zusätzlicher Gene können die Eigenschaften von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen mit den Methoden der Neuen Gentechnik radikal verändert werden. Die Verfahren, die auf dem Einsatz von Werkzeugen wie der ‚Gen-Schere‘ CRISPR/Cas beruhen, gehen mit spezifischen Risiken einher. Diese Probleme stehen im Fokus unseres Projektes 'Der Gentechnik Grenzen setzen’!
Synthetische Biologie
Die Synthetische Biologie verfolgt die Idee, Lebewesen und ihr Erbgut von Grund auf neu zu konstruieren und dabei ‚maschinenhaft‘ nach technischen Zielen und wirtschaftlichen Interessen zu gestalten. Dieses Konzept hat sich bisher nur in geringem Umfang realisieren lassen. Aber ein grundlegendes Werkzeug der Synthetischen Biologie – die Synthese von DNA und RNA im Labor – ist zu einem wichtigen und vielfach eingesetzten Hilfsmittel geworden: Die Anwendungsgebiete reichen von der Produktion von Impfstoffen bis zur Synthese des gesamten Erbguts von Viren, Bakterien und Hefen. Auch die Gen-Schere CRISPR/Cas wird mit Hilfe synthetisierter RNA an ihr Ziel gesteuert. In Zukunft könnten auch Sprays mit RNA auf landwirtschaftliche Felder gesprüht werden. Diese neue Form von Pestiziden geht mit schwer einschätzbaren Risiken einher.
Patente auf Lebewesen
Die Einführung der Gentechnik hat auch dazu geführt, dass Lebewesen als ‚Erfindungen‘ patentiert werden. 1992 wurde in Europa zum ersten Mal ein Säugetier (die sogenannte „Krebsmaus“) patentiert. Schon zuvor gab es erste Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen sowie auf einzelne menschliche Gene. Ethisch problematisch ist insbesondere die Patentierung von Verwendungen, die menschliche Embryonen umfassen, oder auch von Eingriffen in die menschliche Keimbahn. Auch die Patentierung von Versuchstieren ist abzulehnen, da dadurch ein zusätzlicher wirtschaftlicher Anreiz für Tierversuche geschaffen werden kann. Für die Landwirtschaft und Zucht bedenklich ist insbesondere die Ausweitung des Patentschutzes in Zusammenhang mit der Einführung der Neuen Gentechnik: Die hier angemeldeten Patente erstrecken sich oft nicht nur auf die technischen Verfahren, sondern auch auf die biologischen Grundlagen der Züchtung.
Unabhängigkeit von Forschung und Behörden
Unternehmen und ExpertInnen, die riskante Produkte entwickeln und diese vermarkten wollen, dürfen keinen Einfluss auf deren Risikobewertung haben. Diese notwendige Unabhängigkeit ist aber oft nicht gewährleistet. Dieses Problem betrifft sowohl die Daten, die im Rahmen der Risikoprüfung vorgelegt werden, als auch viele Gutachten zu den Risiken und möglichen Vorteilen der Gentechnik, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden.
Technikfolgenabschätzung
Wie auch in anderen risikobehafteten Bereichen kommt es bei der Gentechnik nicht nur auf die einzelnen Faktoren an. Vielmehr müssen die Folgen des Einsatzes der Technologie in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Dabei können insbesondere die Methoden der Technikfolgenabschätzung eine wichtige Rolle spielen. In diesem Zusammenhang müssen auch die oft behaupteten Vorteile der ‚Gen-Schere‘ für Züchtung und Landwirtschaft genau geprüft werden. Bisher werden in der Zulassungsprüfung nur die Eigenschaften einzelner Organismen bewertet. Wird die Umwelt aber mit einer größeren Anzahl verschiedener Gentechnik-Organismen belastet, die mehreren Arten angehören können, besteht die Gefahr, dass die Ökosysteme ab einer bestimmten Größenordnung überlastet werden. Vor diesem Hintergrund plädieren wir für einen grundsätzlichen gesetzlichen Vorbehalt gegenüber der Freisetzung von Gentechnik-Organismen. Gelangen zu viele unterschiedliche dieser Organismen gleichzeitig in die Umwelt, könnten die Ökosysteme ab einer bestimmten Größenordnung kippen, ohne dass dies im Rahmen der bisherigen Risikoprüfung vorhersagbar wäre.