Testbiotech EU-Gentechniknewsletter 1/2021 (Januar 2021)

Das Wichtigste

EU-Parlament stimmt gegen weitere Zulassungen von Gentechnik-Pflanzen / Neuer Bericht zu Genome Editing / Neue Erkenntnisse zu Bt-Toxinen, Teosinte und Risiken der Neuen Gentechnik / EFSA-Konsultationen zu Gene Drives und Neuer Gentechnik

Aktuelle Themen und Aktivitäten

  • EU-Parlament stimmt gegen weitere EU-Zulassungen von Gentechnik-Pflanzen - Testbiotech fordert EU-Kommission zum Handeln auf
  • Neuer Bericht: Warum die Neue Gentechnik strikt reguliert werden muss - Fragen und Antworten rund um CRISPR & Co
  • Giftigkeit von Gentechnik-Bt-Pflanzen zwanzig Mal höher als angenommen? EFSA ignoriert jahrzehntelang entscheidende Daten der Firma Monsanto
  • EFSA-Konsultationen I: Kettenreaktion im Erbgut kann nicht wirksam kontrolliert werden - EFSA verschleiert Risiken von Gene-Drive-Organismen
  • EFSA-Konsultationen II: Verwirrung um Risiken der Neuen Gentechnik bei Pflanzen - Stellungnahme der Behörde unzureichend und irreführend
  • Testbiotech kommentiert EFSA-Gutachten zur insektenresistenten und herbizidtoleranten Soja DAS-81419-2 × DAS-44406-6

Aktuelles aus der Wissenschaft

  • Anbau von Gentechnik-Mais vor neuen Problemen - Risiko der unkontrollierten Ausbreitung von Transgenen größer als angenommen
  • CRISPR: Versuche an menschlichen Embryonen führen zu Verlust von ganzem Chromosom
  • Veränderung der Genregulierung nach Einsatz der Gen-Schere CRISPR/Cas

Neuigkeiten von der EFSA

  • EFSA-Gutachten zur öffentlichen Konsultation über Mikroorganismen, die mittels Synthetischer Biologie hergestellt wurden

Aktuelle Themen und Aktivitäten

EU-Parlament stimmt gegen weitere EU-Zulassungen von Gentechnik-Pflanzen - Testbiotech fordert EU-Kommission zum Handeln auf
Das EU-Parlament hat am 17. Dezember mit großer Mehrheit mehrere Anträge der Fraktion Die Grünen/EFA angenommen und spricht sich gegen weitere EU-Zulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen aus. Es handelt sich um fünf Anträge für Mais und Soja, die gegen Herbizide resistent gemacht sind und verschiedene Insektengifte produzieren. Die Antragsteller sind Bayer (Monsanto) und Syngenta. Das Europäische Parlament hat sich seit Dezember 2015 bereits mehr als 50 Mal gegen neue Importzulassungen für Gentechnik-Pflanzen ausgesprochen. Die Resolutionen haben aber für die EU-Kommission keine bindende Wirkung, die Zulassungen wurden trotzdem erteilt. Doch nach Auffassung von Testbiotech kann der neuerliche Nachweis von großen Lücken bei der Prüfung von Gentechnik-Pflanzen nicht länger ignoriert werden.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/eu-parlament-stimmt-gegen-weitere-...
Zwei Wochen vor der Abstimmung hatte der Umweltausschuss des EU-Parlaments bereits die entsprechenden Beschlüsse angenommen.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/neue-gentechnik-pflanzen-vor-eu-zu...

Neuer Bericht: Warum die Neue Gentechnik strikt reguliert werden muss - Fragen und Antworten rund um CRISPR & Co
Im Oktober veröffentlichte Testbiotech einen Bericht über die ‚Neue Gentechnik‘. Der Bericht zeigt, warum diese strikt reguliert werden muss. Die Neue Gentechnik (NGT) – auch als ‚Genome Editing‘ bezeichnet – eröffnet Möglichkeiten, die über die herkömmliche Züchtung und die ‚alte‘ Gentechnik hinausgehen. Wichtigstes Werkzeug der NGT ist die ‚Gen-Schere‘ (Nuklease) CRISPR/Cas. Anders als physikalisch-chemische Mutagene, die in der konventionellen Züchtung genutzt werden, können Gen-Scheren direkt in die biologischen Mechanismen der Zelle eingreifen.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/warum-die-neue-gentechnik-strikt-r...

Giftigkeit von Gentechnik-Bt-Pflanzen zwanzig Mal höher als angenommen? EFSA ignoriert jahrzehntelang entscheidende Daten der Firma Monsanto
Daten von Monsanto belegen, dass Bt-Toxine, die in Gentechnik-Pflanzen produziert werden, eine wesentlich höhere Giftigkeit aufweisen als natürliche Bt-Toxine. Wie schon 1990 erstmals gezeigt wurde, kann durch eine Mischung der Toxine mit pflanzlichem Material aus Soja, Baumwolle oder Mais die Giftigkeit um das bis zu 20-Fache steigen. Der Grund dafür sind Enzyme, die natürlicherweise im Pflanzengewebe vorhanden sind. Diese Befunde wurden von der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) nie berücksichtigt. Sie scheint die entsprechenden Publikationen übersehen zu haben. Bei der Prüfung der Risiken von Gentechnik-Pflanzen akzeptiert die EFSA nach wie vor regelmäßig Untersuchungen mit isolierten Bt-Toxinen, die von Bakterien produziert werden.
https://www.testbiotech.org/pressemitteilung/giftigkeit-von-gentechnik-b...

EFSA-Konsultationen I: Kettenreaktion im Erbgut kann nicht wirksam kontrolliert werden - EFSA verschleiert Risiken von Gene-Drive-Organismen
Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat das Ergebnis einer Konsultation über die Risikobewertung von sogenannten Gene-Drive-Organismen veröffentlicht. Testbiotech wirft der Behörde vor, die Dimension der Risiken zu verschleiern. Laut Testbiotech verweist die Behörde zwar auf Publikationen, in denen Probleme beschrieben werden, stellt die relevanten Risiken aber nicht korrekt dar. Stattdessen vergleicht die EFSA Gene Drives mit anderen Methoden, wie etwa der Freisetzung von unfruchtbaren Mücken, von denen keine gentechnische Kettenreaktion ausgeht. Diese Vergleiche sind irreführend. Sie führen dazu, dass die eigentlichen Risiken systematisch unterschätzt werden.
Mit Hilfe sogenannter Gene Drives können sich gentechnische Veränderungen schneller in natürlichen Populationen ausbreiten, als das natürlicherweise zu erwarten wäre. Entsprechende Genkonstrukte werden derzeit insbesondere mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas entwickelt. Diese sollen u.a. bei Insekten (wie Fliegen und Mücken) oder Nagetieren (Ratten oder Mäusen) eingesetzt werden. Das Ziel ist, die jeweilige Art zu verändern oder sogar auszurotten. Einmal in Gang gesetzt, lässt sich der Vorgang nicht mehr verlässlich kontrollieren. Der Schaden für Mensch, Umwelt und Natur kann erheblich sein.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/kettenreaktion-im-erbgut-kann-nich...
EFSA-Stellungnahme: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2020.6297
Dokumentation der öffentlichen Konsultation: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/sp.efsa.2020.EN-1939

EFSA-Konsultationen II: Verwirrung um Risiken der Neuen Gentechnik bei Pflanzen - Stellungnahme der Behörde unzureichend und irreführend
Testbiotech kritisiert die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) für ihre Bewertung der Verfahren der „Neuen Getechnik“ (NGT). Demnach ist im November veröffentlichte EFSA-Stellungnahme zu CRISPR & Co aus Sicht des Schutzes von Gesundheit und Umwelt irreführend und unzureichend. Die EFSA behauptet in ihrer gestern veröffentlichten Stellungnahme, dass mit dem Einsatz von Gen-Scheren wie CRISPR/Cas an Pflanzen keine spezifischen Risiken einhergingen, wenn keine zusätzlichen Gene eingefügt werden. Gleichzeitig stimmt die Behörde aber der Aussage von Testbiotech zu, dass die Neue Gentechnik das Erbgut von Pflanzen auf neue Weise für Veränderungen verfügbar macht und ganz neue genetische Kombinationen ermöglicht, indem das Erbgut beispielsweise an mehreren Stellen gleichzeitig verändert wird. In der Stellungnahme der EFSA geht es um Verfahren, die als SDN-1 und SDN-2 (site directed nucleases) bezeichnet werden. Dabei wird das Erbgut von Pflanzen mithilfe von Gen-Scheren wie CRISPR/Cas gentechnisch verändert, ohne zusätzliche Gene einzufügen.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/efsa-verwirrung-um-risiken-der-neu...
EFSA-Stellungnahme: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2020.6299
Dokumentation der öffentlichen Konsultation: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/sp.efsa.2020.EN-1972

Testbiotech kommentiert EFSA-Gutachten zur insektenresistenten und herbizidtoleranten Soja DAS-81419-2 × DAS-44406-6
Im Dezember veröffentlichte Testbiotech einen Kommentar zur Stellungnahme der EFSA zu Soja DAS-81419-2 × DAS-44406-6 von Dow Agrosciences. Die Soja ist resistent gegen Glyphosat, 2,4-D und Glufosinat-Ammonium. Außerdem produziert sie die Bt-Toxine Cry1F und Cry1Ac. Laut Testbiotech sind die vorgelegten Daten nicht ausreichend, um die Sicherheit zu belegen.
https://www.testbiotech.org/content/testbiotech-comment-efsa-opinion-soy...

Aktuelles aus der Wissenschaft

Anbau von Gentechnik-Mais vor neuen Problemen - Risiko der unkontrollierten Ausbreitung von Transgenen größer als angenommen
Der in Europa umstrittene gentechnisch veränderte Mais MON810 produziert Insektizide und darf seit rund 20 Jahren in Spanien angebaut werden. Nun sieht sich der Anbau der transgenen Pflanzen mit neuen Problemen konfrontiert: Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass sich Teosinte, eine unkrautartige Verwandte des Mais, in ihren biologischen Eigenschaften so verändert hat, dass der weitere Genaustausch mit Mais erleichtert wird. Damit wird eine mögliche Hybridisierung mit Gentechnik-Mais wahrscheinlicher. So könnte ein neues Superunkraut entstehen. Teosinte stammt aus Mittelamerika und ist die Ursprungspflanze des Mais. Seit einigen Jahren tritt Teosinte aber auch auf Maisfeldern in Frankreich und Spanien auf. Bisher wurde das Risiko von Kreuzungen mit Maissorten, wie sie in Europa angebaut werden, als eher gering angesehen. Doch wie eine aktuelle wissenschaftliche Publikation zeigt, hat sich die Teosinte bereits mit europäischen Maissorten gekreuzt und so Eigenschaften erlangt, die den weiteren Genaustausch mit Mais begünstigen. Die AutorInnen der neuen Studie warnen deswegen davor, das Risiko einer invasiven Ausbreitung weiterhin zu unterschätzen.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/anbau-von-gentechnik-mais-vor-neue...
Publikation: https://doi.org/10.1073/pnas.2006633117

CRISPR: Versuche an menschlichen Embryonen führen zu Verlust von ganzem Chromosom
Eine neue Publikation berichtet über Versuche mit der Gen-Schere CRISPR/Cas9 an menschlichen Embryonen. Ziel der Versuche in den USA war die Korrektur einer Mutation, die eine Erbkrankheit verursacht. Diese kann zum Erblinden führen (Retinitis pigmentosa). Die Gen-Schere sollte dazu die fehlerhafte Gensequenz durchtrennen. Es wurde erwartet, dass der Fehler im Erbgut dann durch zelleigene Reparaturprozesse korrigiert würde. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Bei mehreren Embryonen gingen große Teile oder auch das ganze Chromosom 6 verloren, auf dem sich das Ziel-Gen befindet. Zudem entstanden am Ziel-Gen weitere ungewollte Mutationen.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/crispr-gen-schere-bewirkt-chaos-im...
Publikation: https://doi.org/10.1016/j.cell.2020.10.025

Veränderung der Genregulierung nach Einsatz der Gen-Schere CRISPR/Cas
Eine aktuelle wissenschaftliche Publikation zeigt, dass der Einsatz der Gen-Schere CRISPR/Cas bei Tieren unbeabsichtigte Spuren hinterlassen kann. Dabei geht es nicht um ungewollte Veränderungen von Genen, die schon häufig beschrieben wurden, sondern um deren Regulierung, die Epigenetik. Die Veränderungen sind vererbbar und könnten unter anderem zu Störungen der embryonalen Entwicklung führen. Die aktuelle wissenschaftliche Publikation bezieht sich auf Experimente, bei denen die DNA von Mäusen mit Hilfe der Gen-Schere nicht nur aufgetrennt wurde, sondern auch zusätzliche genetische Informationen eingefügt wurde. Dabei kam es in der betroffenen Region nicht nur zur gewollten Veränderung der DNA, sondern auch zu ungewollten Veränderungen von sogenannten epigenetischen Markern, die die Genregulierung steuern. Diese Effekte waren auch vererbbar: Sie konnten noch in der zehnten Nachfolgegeneration der Mäuse nachgewiesen werden. Nach Ansicht der AutorInnen können derartige Veränderungen u.a. als Nachweisverfahren für den Einsatz der Gen-Schere CRISPR/Cas verwendet werden.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/neue-gentechnik-hinterlaesst-ungew...
Publikation: https://doi.org/10.1186/s12864-020-07233-2

Neuigkeiten von der EFSA

EFSA-Gutachten zur öffentlichen Konsultation über Mikroorganismen, die mittels Synthetischer Biologie hergestellt wurden
Am 28. Oktober veröffentlichte die EFSA ein Gutachten zur öffentlichen Konsultation über Mikroorganismen, die mittels Synthetischer Biologie hergestellt wurden (SynBioMs) und in die Umwelt freigesetzt werden sollen. Laut EFSA sind aktuell und in naher Zukunft keine neuartigen Umweltgefahren durch SynBioMs zu erwarten.
„Evaluation of existing guidelines for their adequacy for the microbial characterisation and environmental risk assessment of microorganisms obtained through synthetic biology“: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2020.6263
Ergebnis der öffentlichen Konsultation: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/sp.efsa.2020.EN-1934
Mehr zu den Aktivitäten der EFSA im Abschnitt „Aktuelle Themen und Aktivitäten“.

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