Übersicht
"Vorweg muss ich sagen, dass es natürlich eine komplexe Situation ist, wenn ein unabhängiger Risikoforscher mehr Gelder für unabhängige Risikoforschung einfordert – da besteht immer die Gefahr, dass sich persönliche und politische Motivation in die Quere kommen. Trotzdem begrüße ich Ihre Initiative natürlich auf Äußerste und nehme gern dazu Stellung.
Natürlich sind Behörden heute – leider – nicht unabhängig, es ist das Wesen heutiger Behörden, dass sie politisch eingerichtet, politisch geführt und politisch personell besetzt werden. Wobei der Begriff „politisch“ hier durchaus auch die zu regulierende Industrie mit einschließt, die ab einer bestimmten Größe natürlich einen sehr großen Einfluss auf die demokratisch gewählten EntscheiderInnen hat. EFSA ist tatsächlich ein wunderbares Beispiel für eine Pseudo-Kontrollbehörde, der tatsächliches Ziel doch vor allem ist, Bedenken beiseite zu wischen und den Anschein einer Kontrolle zu erwecken.
Langfristig muss das geändert werden, d.h. die Einflussnahme der zu regulierenden Industrie auf die Behörden muss zurückgedrängt und der Drehtür-Effekt – d.h. der ständige Personalaustausch zwischen Industrie, Behörden und Politik – gestoppt werden. Das ist ein wichtiges politisches Ziel der LINKEN.
Natürlich brauchen wir unbedingt mehr unabhängige Risikoforschung, das Problem liegt allerdings im Detail: Was genau ist „unabhängig“? Nicht jedes nicht-staatliche Institut ist unabhängig, nicht jedes Professoren-geführte Uni-Institut ist unabhängig. Wir beide wissen, dass die Industrie sowohl eigene Pseudo-NGOs oder Forschungsinstitute gründen als auch über Forschungsaufträge direkten Einfluss auf formal „unabhängige“ Institute haben.
Andererseits können wir natürlich nicht einfach jeden Umweltaktivisten zum Top-Risikoforscher erklären und alles Geld dahin schaufeln. Hier sind wir bei der Frage nach der Kriterien für die Vergabe der Gelder für Risikoforschung. Größtmögliche Unabhängigkeit kann aus meiner Sicht nur ein System garantieren, bei dem immer mehrere Forschungsinstitutionen eingebunden werden, die zudem von einer ganzen Breite von stakeholdern gemeinsam ausgesucht werden – so ähnlich, wie es im großen Maßstab beim Weltagrarbericht IAASTD passiert ist.
Also ganz praktisch: Wenn es um die Bewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen geht, sollten alle (!) Bauernverbände (auch die kleinen), die Umweltorganisationen, Verbraucherinitiativen und die Lebensmittelindustrie mit entscheiden können, wer mit bestimmten Studien beauftragt wird. Nur so können wir das System aus Pseudowissenschaft, Gefälligkeitsgutachten und personeller Verquickung von Forschung, Politik und Industrie durchbrechen."
Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie