Gen-Schere verursacht Chaos im Erbgut von Pflanzen

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TESTBIOTECH Hintergrund 20-6-2023

Aktuelle Publikationen zeigen, dass der Einsatz der Gen-Schere CRISPR/Cas bei Pflanzen mit einem wesentlich höheren Risiko für tiefgreifende Störungen des Genoms verbunden ist als bisher angenommen wurde. Davon können große Regionen im Erbgut betroffen sein.

Dabei spielt die sogenannte ‚Chromothripsis‘ eine wichtige Rolle. Mit Chromothripsis wird ein Phänomen bezeichnet, bei dem sich in einem ‚katastrophischen’ Ereignis Hundert von genetischen Veränderungen auf einmal ereignen können. Dabei können viele Abschnitte des Erbguts vertauscht, verdreht, neu kombiniert oder auch verloren gehen. Bei Zellen von Säugetieren (und Menschen) war bereits bekannt, dass diese Effekte durch den Einsatz der Gen-Schere CRISPR/Cas ausgelöst werden können. Jetzt wurden erstmals auch chromothripsisartige Effekte bei Pflanzen nachgewiesen, deren Erbgut mit CRISPR/Cas verändert wurde.

Die genauen Mechanismen der Chromothripsis sind nicht vollständig erforscht. Bekannt ist aber, dass die gleichzeitige Durchtrennung von beiden Strängen des Erbguts ein Auslöser für diese chaotischen Effekte sein kann. Durch die Durchtrennung der beiden Stränge der DNA, wie sie in der Regel durch den Einsatz der Gen-Schere CRISPR/Cas bewirkt wird, verlieren die Chromosomen den Kontakt zu den dabei abgetrennten Enden. Misslingt die Reparatur dieses Bruchs, kann das abgetrennte Ende verloren gehen oder sich neu strukturieren und auch an anderen Stellen des Genoms eingebaut werden.

Die Häufigkeit dieses Ereignisses wird durch den Einsatz der Gen-Schere wesentlich erhöht. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch Stellen im Erbgut betroffen sein können, die ansonsten besonders gut geschützt sind. Die möglichen Folgen umfassen eine breite Palette von Risiken wie Störung der Pflanzengesundheit, veränderte Interaktionen mit der Umwelt und unerwünschte Veränderungen von Pflanzeninhaltsstoffen.

Die jetzt vorliegenden Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die angebliche Präzision der Gen-Schere: Zwar können mit Hilfe der Neuen Gentechnik bestimmte Orte im Erbgut gezielt angesteuert werden, um es an dieser Stelle zu durchtrennen. Doch die Folgen der ‚Schnitte‘ ins Erbgut sind nicht zu wenig vorhersagbar und nicht kontrollierbar. Unbeabsichtigte genetische Veränderungen können große Abschnitte der Chromosomen betreffen. In der Konsequenz können die aus den Verfahren der Neuen Gentechnik resultierenden Pflanzen nicht per se als ‚sicher‘ angesehen werden, sondern müssen eingehend auf Risiken geprüft werden.

Veröffentlichungsjahr: 
2023
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