Testbiotech EU-Gentechniknewsletter 1/2022 (Februar 2022)

Das Wichtigste

Testbiotech klagt gegen die EU-Kommission; Kommission zeigt Absicht zur Deregulierung der Neuen Gentechnik; Unbeabsichtigte Veränderungen und überraschende Vererbungsmuster bei CRISPR-Tieren; Neue Erkenntnisse über Evolution bei Pflanzen

Aktuelle Themen und Aktivitäten

  • Testbiotech klagt gegen die EU-Kommission
  • EU-Kommission ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Risiken Neuer Gentechnik
  • Dokument der EU-Kommission zeigt Absicht zur Deregulierung der Neuen Gentechnik
  • Gentechnik-Bakterien gefährden Lebensmittelsicherheit
  • Testbiotech-Kommentar zu Mais NK603 x T25 x DAS-40278-9
  • Testbiotech-Kommentar zu Raps 73496
  • Testbiotech-Kommentar zu Baumwolle GHB811

Aktuelles aus der Wissenschaft

  • CRISPR/Cas bei Tieren: unbeabsichtigte Veränderungen und überraschende Vererbungsmuster
  • Lücken in der Risikobewertung von in Nigeria angebauten Bt-Kuhbohnen
  • Neue Erkenntnisse über Evolution bei Pflanzen zeigen auch Unterschiede zwischen Neuer Gentechnik und herkömmlicher Züchtung
  • Eckpfeiler für Umweltrisikoprüfung von genomeditierten Pflanzen
  • ‚Golden Rice‘ für Schädlinge besonders attraktiv?
  • BfN-Positionspapier zur Neuen Gentechnik und ihrer Regulierung
  • Wissenschaftliche Publikation über neuartige Risiken und Anwendungen der Gen-Scheren
  • Unkontrollierte Ausbreitung von Gentechnik-Raps: ein globales Problem

Neuigkeiten von der EFSA

  • Wissenschaftliches Gutachten zur Allergenitäts- und Proteinsicherheitsbewertung von GVO
  • Gutachten zu Mutagenese-Techniken bei Pflanzen
  • Bewertung von Baumwolle GHB614 zur Wiederzulassung
  • Umweltüberwachung von Mais MON 810 in der EU

Neue EU-Zulassungen

  • Zehn Importzulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzen auf einmal

Aktuelle Themen und Aktivitäten

Testbiotech klagt gegen die EU-Kommission
Testbiotech lässt zwei aktuelle Zulassungen für Gentechnik-Soja und -Mais vor Gericht überprüfen und hat deswegen im September gegen die EU-Kommission geklagt. Die beiden Klagen wurden jetzt vom Gericht der Europäischen Union akzeptiert (T-605/21 und T-606/21). Nach Einschätzung von Testbiotech wurden die Risiken dieser Gentechnik-Pflanzen der Firma Bayer nicht so geprüft, wie dies gesetzlich vorgeschrieben ist.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/eu-zulassungen-fuer-gentechnisch-v...
Im Juli hatte die EU-Kommission einen Antrag von Testbiotech auf interne Überprüfung der EU-Zulassungen abgelehnt.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/eu-kommission-risikopruefung-trans...

EU-Kommission ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Risiken Neuer Gentechnik
Anlässlich aktueller Veröffentlichungen über die Risiken der Gen-Schere CRISPR/Cas hat sich die EU-Kommission im Dezember in einem Brief an Testbiotech gewandt. Sie kommt darin zu der Einschätzung, dass sich die Gefährdungspotenziale von unbeabsichtigten genetischen Veränderungen, die durch die Verfahren der Neuen Gentechnik verursacht werden, nicht von denen der bisherigen Züchtung unterscheiden.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/eu-kommission-ignoriert-wissenscha...

Dokument der EU-Kommission zeigt Absicht zur Deregulierung der Neuen Gentechnik
Während die EU-Kommission in der Diskussion um Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) offiziell für eine angemessene Regulierung und hohe Sicherheitsstandards eintritt, scheint sie in Wirklichkeit eine andere Strategie zu verfolgen: Ein Ende September veröffentlichtes Dokument, das sich mit der zukünftigen Gentechnik-Gesetzgebung befasst, zeigt die Absicht einer weitreichenden Deregulierung. Dabei werden die Risiken, die mit dem Einsatz der NGT einhergehen, entweder nicht ausreichend berücksichtigt oder auch komplett ignoriert.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/dokument-der-eu-kommission-zeigt-a...

Gentechnik-Bakterien gefährden Lebensmittelsicherheit
Gentechnik-Bakterien werden unter anderem dazu verwendet, um Enzyme und Vitamine für die Lebensmittelindustrie zu produzieren. Dabei gelangen ungewollt immer wieder auch die Bakterien selbst in den Prozess der Lebens- und Futtermittelherstellung. Die EU-Mitgliedsländer entdeckten in den letzten Jahren mehr als ein Dutzend Fälle, die mehr als 20 Länder betreffen. Die Gentechnik-Bakterien verfügen über Resistenzgene gegen Antibiotika, die mit Darmbakterien ausgetauscht werden können. Genauere Untersuchungen zeigen jetzt ein erhebliches Risiko für die Lebensmittelsicherheit.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/gentechnik-bakterien-gefaehrden-le...

Testbiotech-Kommentar zu Mais NK603 x T25 x DAS-40278-9
Testbiotech kommentierte ein EFSA-Gutachten zu dem gestackten Mais NK603 x T25 x DAS-40278-9 (Pioneer). Der Mais wurde gegen verschiedene Herbizide resistent gemacht: Glufosinat, Glyphosat, 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure (2,4-D) und Aryloxyphenoxypropionat (AOPP).
https://www.testbiotech.org/node/2871
EFSA-Gutachten: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2021.6942

Testbiotech-Kommentar zu Raps 73496
Testbiotech hat ein EFSA-Gutachten zu Raps 73496 (Pioneer) kommentiert. Der Raps weist eine Resistenz gegenüber Glyphosat auf.
https://www.testbiotech.org/node/2864
EFSA-Gutachten: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2021.6610

Testbiotech-Kommentar zu Baumwolle GHB811
Testbiotech hat einen Kommentar zum EFSA-Gutachten zu Baumwolle GHB811 (BASF) eingereicht. Die Baumwolle ist tolerant gegenüber Glyphosat und einer Gruppe von Herbiziden, die als HPPD-Inhibitoren bekannt ist, wie Isoxaflutol, Mesotrionin und Tembotrionin.
https://www.testbiotech.org/content/testbiotech-comment-cotton-ghb811
EFSA-Gutachten: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2021.6781

Aktuelles aus der Wissenschaft

CRISPR/Cas bei Tieren: unbeabsichtigte Veränderungen und überraschende Vererbungsmuster
Mit Versuchen an Zebrafischen haben WissenschaftlerInnen gezeigt, dass sich unbeabsichtigte Veränderungen, die von der Gen-Schere CRISPR/Cas verursacht wurden, auch vererben. Dabei fanden sich ungewöhnliche Muster der Vererbung. Die Ergebnisse zeigen nach Ansicht der beteiligten ForscherInnen, dass die Auswirkungen des Einsatzes der Gen-Schere auf die nachfolgenden Generationen genauer untersucht werden müssen.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/crisprcas-bei-tieren-unbeabsichtig...
Studie: https://www.nature.com/articles/s41467-022-28244-5

Lücken in der Risikobewertung von in Nigeria angebauten Bt-Kuhbohnen
Eine neue wissenschaftliche Publikation zeigt erhebliche Defizite in der Risikobewertung von gentechnisch veränderten Kuhbohnen, die in Nigeria bereits zum Anbau zugelassen sind. Die transgenen Pflanzen produzieren ein insektengiftiges Bt-Toxin, das die Pflanzen vor dem Befall mit bestimmten Raupen schützen soll. Testbiotech empfiehlt eine Aussetzung der Zulassung und die Durchführung genauer Untersuchungen, bevor weitere Freisetzungen geplant werden.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/transgene-bohnen-umwelt-und-gesund...
Studie: https://www.mdpi.com/2223-7747/11/3/380

Neue Erkenntnisse über Evolution bei Pflanzen zeigen auch die Unterschiede zwischen Neuer Gentechnik und herkömmlicher Züchtung
Eine neue Publikation im Fachjournal Nature zeigt, dass Mutationen im Erbgut von Pflanzen nicht rein zufällig auftreten und ihre Häufigkeit in Populationen nicht nur von der Selektion abhängt. Der Studie zufolge gibt es im Erbgut natürliche Mechanismen, die bestimme Regionen vor häufigen Veränderungen schützen. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse lassen die Evolutionsbiologie in neuem Licht erscheinen und werfen auch Fragen bezüglich der Folgen von gentechnischen Veränderungen an Pflanzen auf.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/neue-erkenntnisse-evolution-bei-pf...
Studie: https://www.nature.com/articles/s41586-021-04269-6

Eckpfeiler für Umweltrisikoprüfung von genomeditierten Pflanzen
Eine neue Publikation von ExpertInnen verschiedener Umweltbehörden aus Deutschland, Italien, Österreich, Polen und der Schweiz definiert erste Eckpfeiler für die Risikoprüfung von Pflanzen, die mithilfe der Neuen Gentechnik (Genome Editing) bearbeitet werden. Die AutorInnen zeigen, dass es nicht gerechtfertigt werden kann, nur die Pflanzen auf Risiken zu untersuchen, bei denen zusätzliche Gene eingefügt oder besonders große Abschnitte des Erbguts verändert werden. Vielmehr sind alle Pflanzen aus Neuer Gentechnik einer verpflichtenden Risikoprüfung zu unterziehen.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/neue-gentechnik-wie-sollen-umweltr...
Studie: http://www.mdpi.com/2673-6284/10/3/10/htm

‚Golden Rice‘ für Schädlinge besonders attraktiv?
Aktuelle Publikationen zeigen, dass mit zusätzlichen Vitaminen ausgestattete Gentechnik-Pflanzen eine besondere Herausforderung für die Risikoforschung darstellen. Von einem erhöhten Gehalt an Carotinen können auch Fraßinsekten profitieren, die sich von den Pflanzen ernähren. Davon betroffen sein könnte auch der sogenannte ‚Golden Rice‘, der auf den Philippinen angebaut werden soll.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/golden-rice-fuer-schaedlinge-beson...
Studie 1: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0246696
Studie 2: https://www.mdpi.com/2075-4450/12/8/718

BfN-Positionspapier zur Neuen Gentechnik und ihrer Regulierung
Ein im Oktober veröffentlichtes Positionspapier des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) nimmt Stellung zur Absicht der EU-Kommission, neue Gesetzesvorschläge zur Regulierung der Neuen Gentechnik an Pflanzen zu evaluieren. Das Papier kommt zu dem Schluss, dass diese Pflanzen ein ähnliches oder sogar größeres Risikopotenzial als Pflanzen aus alter Gentechnik aufweisen. Nur eine Einzelfallprüfung, wie sie im geltenden Gentechnikrecht vorgesehen ist, kann laut BfN ein hohes Sicherheitsniveau gewährleisten, zumal es kaum oder keine Erfahrung bezüglich Freisetzung oder Verwendung in Produkten gibt.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/bfn-positionspapier-zur-neuen-gent...
Positionspapier: https://www.bfn.de/publikationen/positionspapier/new-developments-and-re...

Wissenschaftliche Publikation über neuartige Risiken und Anwendungen der Gen-Scheren
Eine neue wissenschaftliche Publikation im Fachjournal Plants gibt einen Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten der Neuen Gentechnikverfahren und ihre spezifischen Risiken. Die Studie zeigt, dass vermeintlich kleine Veränderungen im Erbgut von Nutzpflanzen auch zahlreiche komplexe Veränderungen auslösen können. Pflanzen aus Neuer Gentechnik müssen, so das Ergebnis der Studie, eine fallspezifische Risikoprüfung durchlaufen, die sowohl die Eigenschaften des Endprodukts als auch verfahrensbedingte Risiken berücksichtigt.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/neue-wissenschaftliche-publikation...
Studie: https://www.mdpi.com/2223-7747/10/11/2259/htm

Unkontrollierte Ausbreitung von Gentechnik-Raps: ein globales Problem
Eine aktuelle Publikation aus Korea zeigt, dass eine unkontrollierte Ausbreitung von gentechnisch verändertem Raps bereits in 14 Ländern auf fünf Kontinenten dokumentiert wurde. Betroffen sind Länder, die Gentechnik-Raps selbst anbauen (wie die USA und Kanada), in Freilandversuchen getestet haben (wie z.B. Deutschland) oder lediglich importieren (wie Japan). Zu diesen dokumentierten Fällen kommt eine wohl hohe Dunkelziffer, weil vielfach eine systematische Beobachtung fehlt.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/unkontrollierte-ausbreitung-von-ge...
Studie: https://www.mdpi.com/2079-7737/10/12/1264

Neuigkeiten von der EFSA

Wissenschaftliches Gutachten zur Allergenitäts- und Proteinsicherheitsbewertung von GVO
Im Januar veröffentlichte die EFSA ein wissenschaftliches Gutachten zur Allergenitäts- und Proteinsicherheitsbewertung von GVO. Darin fordert die Behörde eine Modernisierung einiger Schlüsselelemente der Risikobewertung. Dazu gehören u.a. die Berücksichtigung der klinischen Relevanz, des Expositionswegs und potenzieller Schwellenwerte von Lebensmittelallergenen, sowie eine bessere Integration und Standardisierung von Testmaterialien und TestProtokollen.
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2022.7044
Die EFSA veranstaltete auch einen Workshop zu diesem Thema: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/sp.efsa.2021.EN-6826

Gutachten zu Mutagenese-Techniken bei Pflanzen
Im November veröffentlichte die EFSA ein Gutachten über Mutagenese-Techniken bei Pflanzen. Das GVO-Panel kommt darin zu dem Schluss, dass eine Unterscheidung zwischen Pflanzen, die durch In-vitro- oder In-vivo-Methoden gewonnen wurden, nicht gerechtfertigt ist. Nach Ansicht der Behörde kann dieselbe Mutation und das daraus abgeleitete Merkmal bei einer bestimmten Pflanzenart sowohl durch In-vivo- als auch durch In-vitro-Zufallsmutagenese erzielt werden.
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2021.6611

Bewertung von Baumwolle GHB614 zur Wiederzulassung
Im Juli veröffentlichte die EFSA ein Gutachten zur Wiederzulassung der gegen Glyphosat toleranten Baumwolle GHB614. Die EFSA kommt zu dem Schluss, dass es keine Hinweise auf neue Gefahren, eine veränderte Exposition oder wissenschaftliche Unsicherheiten gäbe, die die Schlussfolgerungen der ursprünglichen Risikobewertung für Baumwolle GHB614 ändern würden.
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2021.6671

Umweltüberwachung von Mais MON 810 in der EU
Im Juli veröffentlichte die EFSA eine Bewertung des Berichts über die Umweltüberwachung 2019 für den Anbau von MON 810 in der EU. Wie bereits in den Vorjahren stellte das GVO-Panel zahlreiche Mängel in dem Bericht fest. Insbesondere sei der Überwachungsplan zur Resistenzbildung des Maiszünslers nicht ausreichend.
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2021.6683

Neue EU-Zulassungen

Zehn Importzulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzen auf einmal
Im August genehmigte die EU-Kommission zehn weitere Anträge auf Importzulassungen von Gentechnik-Pflanzen. Es handelt sich um Mais, Soja, Raps und Baumwolle, die Insektengifte produzieren und/oder gegen Pflanzengifte wie Glyphosat resistent sind. Die Antragsteller für die aktuellen Zulassungen sind Monsanto (Bayer), Dow AgroSciences (Corteva) und Syngenta (ChemChina). Bei sieben Genehmigungen handelt es sich um Neuzulassungen, bei dreien um Wiederzulassungen.
https://www.testbiotech.org/aktuelles/zehn-importzulassungen-fuer-gentec...

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