Es geht nicht nur um einen Forscher aus China
29. November 2018 / Es ist überall in den Schlagzeilen: Ein chinesischer Forscher soll das Erbgut menschlicher Embryonen per Gen-Schere CRISPR verändert haben. Das wäre ein Dammbruch – und es würde sich bestätigen, dass was machbar ist, auch gemacht wird.
Ist die Technologie der Gen-Schere zu mächtig? Wird sich die Menschheit ihr nicht entziehen können? Jedenfalls werden wir selbst zunehmend zum Objekt der Forschung. Der Historiker, Zukunftsforscher und Bestsellerautor Harari entwirft in seinem Buch „Homo Deus“ das Bild einer Gesellschaft, in der sich Menschen mit Hilfe der Gentechnik gezielt aufrüsten, um anderen körperlich und geistig überlegen zu werden.
Doch ist das wirklich unausweichlich? Wer hat eigentlich tatsächlich Interesse daran, dass Eingriffe in die menschliche Keimbahn erlaubt werden? Und warum gab es vor den Versuchen in China kaum Kritik an solchen ‚geistigen Brandstiftern‘? Schon 2012 schlug beispielsweise der bekannte Gen-Forscher George Church in seinem Buch „Regenesis“ vor, mit Hilfe von neuen Gentechnik-Verfahren und Klonen einen Neandertaler zu schaffen. 2015 behauptete sein mindestens ebenso prominenter Kollege Craig Venter im Wissenschaftsjournal „Nature Biotechology“, dass die Manipulation der menschlichen Keimbahn unausweichlich sei. Warum haben diese und ähnliche Äußerungen nicht längst zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte geführt?
Wir sehen in Politik und Medien tatsächlich oft zu wenig Mut und Bereitschaft zur kritischen und kontroversen Debatte. Insbesondere die Gen-Schere CRISPR hat seit ihrer Erfindung zu einem Quantensprung in Machbarkeitsphantasien, Gewinnstreben und Diskursmanipulationen geführt. Die Entwicklung vollzieht sich auf mehreren Ebenen und umfasst die Versprechungen neuer Gentechnik-Tomaten, die Möglichkeit ganze Insekten-Populationen per Gentechnik zu verändern oder auszurotten, und eine stetig steigende Zahl von Tierversuchen, die nicht nur bei Mäusen, sondern auch bei bestimmten Affenarten stark zunehmen. Man sollte diese Entwicklungen im Detail und jede für sich diskutieren. Aber eben auch im Kontext sehen. Die gesamte Entwicklung folgt einer gemeinsamen Logik, auch wenn die jeweiligen Anwendungen sehr unterschiedlich sind.
Unausweichlich ist diese Entwicklung jedenfalls nur, wenn wir sie hinnehmen. Deshalb dürfen aktuelle Berichte wie die aus China nicht dazu führen, dass wir uns an immer neue Tabubrüche gewöhnen. Stattdessen muss die Entwicklung insgesamt hinterfragt und ein breiter Diskurs geführt werden: In welcher Welt wollen wir leben? Wie können wir der technologischen Machbarkeit sinnvolle Grenzen setzen?