Umstrittene Gene Drives: Experimente mit Gentechnikfliegen finden in Deutschland unter niedrigsten Sicherheitsstandards statt

Testbiotech fordert höhere gesetzliche Auflagen für Labore

13. Juli 2018 / Wie eine aktuelle Publikation von Forschern der Universität Göttingen zeigt, fanden dort in den letzten Jahren Versuche mit gentechnisch veränderten Taufliegen (Drosophila melanogaster) statt, die mit einem sogenannten Gene Drive ausgestattet sind. Das besondere Risiko bei Gene Drives besteht darin, dass diese gentechnisch veränderten Organismen ihre künstlichen Gene sehr rasch in natürlichen Populationen verbreiten können, falls sie ins Freiland entkommen. Testbiotech kritisiert, dass in Göttingen mit einer Fliegenart gearbeitet wurde, die in Deutschland auch sehr häufig in der Umwelt vorkommt. Dennoch wurden die Experimente lediglich auf der niedrigsten Sicherheitsstufe durchgeführt. Diese wäre aber nur gerechtfertigt, wenn kein erhebliches Risiko bestünde.

Bei Gene Drives wiederholt sich der Vorgang der gentechnischen Veränderung in jeder Generation auf sich selbst organisierende Weise. Dadurch verbreiten sich die speziellen genetischen Veranlagungen in Populationen sehr viel rascher, als das sonst der Fall wäre. Dass eine derartige Kettenreaktion im Erbgut technisch machbar ist, wurde u.a. an Hefen, Mücken, Fliegen und jüngst an Mäusen gezeigt. Auch viele ExpertInnen, die mit Gene Drives arbeiten, haben wiederholt auf das hohe Ausbreitungsrisiko hingewiesen. Entkommen solche Organismen und zeigen sich negative Auswirkungen für Mensch und Umwelt, können die Folgen möglicherweise nicht mehr kontrolliert werden.

Die in Göttingen verwendeten Fliegen sollen dafür sorgen, dass bei den Nachkommen eine Geschlechtsumwandlung stattfindet: Aus Weibchen sollen Männchen werden. Das Ziel der Forschung, die u.a. von der US-Militärbehörde DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) finanziert wurde, ist es, Populationen von „unerwünschten“ Insekten – in diesem Fall geht es eigentlich um die Mittelmeerfruchtfliege – zu reduzieren oder sogar auszurotten.

Die Göttinger Wissenschaftler weisen darauf hin, dass ihre Taufliegen die künstlichen genetischen Informationen, im Gegensatz zur Mittelmeerfruchtfliege, nur zum Teil weitergeben können. Zudem hatten sich durch die Aktivitäten des Gene Drive nach etwa einem Dutzend Generationen so viele ungewollte Mutationen im Erbgut angehäuft, dass er nicht mehr funktionierte. Doch das verhinderte die Ausbreitung der künstlichen Gene keineswegs: Entgegen allen Erwartungen fanden sich sogar bei fruchtbaren Weibchen Teile der Genkonstrukte.

Wie lange die Gentechnik-Fliegen nach ihrem Entkommen im Freiland überleben und wie stark sie sich ausbreiten würden, kann nicht verlässlich vorhergesagt werden. Das zeigt das Beispiel von gentechnisch veränderten Gräsern in den USA, deren zunehmende Ausbreitung man seit Jahren erfolglos bekämpft: Die Gräser weisen eine Resistenz gegen das Totalherbizid Glyphosat auf. Wie aktuelle Publikationen zeigen, hat man das Potential zur Ausbreitung von gentechnisch veränderten Pflanzen, die gegen Glyphosat resistent macht wurden, über mehr als 20 Jahre falsch eingeschätzt.

Vor diesem Hintergrund geht Testbiotech von einem erheblichen Risiko bei Experimenten mit Gene Drives aus. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich, wie im Falle der Taufliegen, die Organismen nach ihrem Entkommen in natürlichen Populationen ausbreiten können. Testbiotech fordert deswegen, dass anlässlich einer geplanten Novellierung der Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV) wesentlich höhere Sicherheitsstandards für Versuche mit Gene Drives vorgeschrieben werden, und hat dazu eine entsprechende Stellungnahme eingereicht.

Kontakt: Christoph Then, info@testbiotech.org, Tel 0151 54638040