Die US-Landwirtschaftsbehörde hat nach Recherche von Testbiotech bereits mehr als 20 Freigaben für gentechnisch veränderte Pflanzen erteilt, die mit den Verfahren der neuen Gentechnik in ihrem Erbgut verändert wurden. In keinem Fall wurde eine eingehende Risikoprüfung verlangt. Der heute veröffentlichte Bericht von Testbiotech zeigt, dass sich die zugelassenen Pflanzen in ihren Herstellungsverfahren, ihren Eigenschaften und ihren Risiken deutlich von denen aus herkömmlicher Züchtung unterscheiden.
Diese Unterschiede entstehen nicht durch neu eingeführte Gene, sondern unter anderem durch das spezifische Muster der genetischen Veränderungen: So können ‚Gen-Scheren‘ wie CRISPR/Cas ganze Genfamilien auf einmal verändern, was mit bisheriger Züchtung nur schwer oder gar nicht zu erreichen ist. Eine weitere Besonderheit: in den meisten Fällen wurden zusätzlich die veralteten, wenig präzisen Schrotschussverfahren wie die „Genkanone“ eingesetzt. Diese Unterschiede zur herkömmlichen Züchtung werden von der US-Behörde vollständig ignoriert.
Unter den Pflanzen befinden sich u.a. Kartoffeln, Leindotter, Luzerne, Mais, Reis, Soja, Tomaten und Weizen. Auch ein Speisepilz wurde zugelassen. Welche Eigenschaften die gentechnisch veränderten Pflanzen jeweils genau haben, lässt sich allerdings längst nicht immer sagen. Viele Informationen werden als Geschäftsgeheimnis eingestuft. Auch der Stand der Entwicklung ist in der Regel aus den öffentlich einsehbaren Informationen nicht ablesbar – es lässt sich nur feststellen, dass die Anträge im Allgemeinen zu einem frühen Zeitpunkt gestellt werden. Generell ist anzunehmen, dass längst nicht alle Pflanzen tatsächlich auf den Markt kommen werden. Einige Firmen haben aber bereits angekündigt, schon bald mit der Vermarktung beginnen zu wollen.
Grundsätzlich beruht die herkömmliche Züchtung von Pflanzen und Tieren immer auf einer großen Bandbreite genetischer Vielfalt. Diese findet sich in natürlichen Populationen, aber auch in der Gesamtheit der von Menschen gezüchteten Pflanzensorten oder Tierrassen. Zusätzlich entstehen auch immer neue Mutationen. Deren Auftreten kann durch bestimmte Reize zusätzlich beschleunigt werden. Um wünschenswerte Eigenschaften zu erzielen, werden die Populationen nach entsprechenden Merkmalen durchsucht und geeignete Pflanzen oder Tiere weiter vermehrt und miteinander gekreuzt, um eine die gewünschte Kombination der Erbinformationen zu erreichen. Dabei können die natürlichen Mechanismen der Vererbung und Genregulation nicht umgangen werden.
Dagegen wird mit der neuen und alten Gentechnik versucht, bestimmte Eigenschaften direkt zu verändern. Diese Verfahren umgehen die natürlichen Regeln von Evolution, Vererbung und Genregulation. Sie können somit zwar schneller als herkömmliche Züchtung sein, bedingen aber auch zusätzliche Risiken. Da hier mit speziellen Technologien ins Erbgut eingegriffen wird, können sich die Ergebnisse deutlich von denen unterscheiden, die mit der konventionellen Züchtung erreicht werden. Daraus ergibt sich eine besondere Vorsorgepflicht gegenüber einer Freisetzung dieser Organismen oder ihrer Verwendung in Lebensmitteln.
In der EU unterliegen derartige Organismen der Gentechnikregulierung, daher muss in jedem Fall eine Zulassungsprüfung erfolgen. In den USA gibt es dagegen keine entsprechenden gesetzlichen Anforderungen. Aber auch in der EU wollen verschiedene Akteure ihre Produkte künftig möglichst schnell auf den Markt bringen. Ihr Ziel: Pflanzen und Tiere, die mit neuen Gentechnikverfahren manipuliert wurden, sollen ohne Zulassungsverfahren freigesetzt und daraus gewonnene Produkte ohne Kennzeichnung vermarktet werden dürfen. Kämen die neuen Pflanzen ohne Regulierung und Zulassungsprüfung auf den Markt, wüsste kein/e LandwirtIn und kein/e GärtnerIn mehr, was er/sie eigentlich anbaut. Die Pflanzen könnten auch miteinander gekreuzt und kombiniert werden, ohne dass die Kombinationswirkungen im Detail überprüft werden. Die VerbraucherInnen verlören jede Auswahlmöglichkeit: Es wäre für sie nicht mehr nachvollziehbar, ob bei den Produkten eine gentechnische Veränderung stattgefunden hat oder nicht. Nicht einmal die Behörden wüssten, welche Pflanzen aus welchen Ländern importiert werden und wonach sie suchen müssten, wenn tatsächlich Schäden an Mensch oder Umwelt beobachtet werden.
„Die Risiken der Gentechnik-Organismen müssen in jedem einzelnen Fall eingehend geprüft werden“, fasst Christoph Then die Ergebnisse für Testbiotech zusammen. „Bei Organismen, die ein Ausbreitungspotential haben oder entwickeln können, müssen zudem entsprechend wirksame Maßnahmen ergriffen oder Verbote ausgesprochen werden, um eine Ausbreitung zu verhindern.“
Christoph Then, Tel. 0151 54638040, info@testbiotech.org
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