Testbiotech veröffentlicht heute einen Bericht über den Einfluss der Gentechnik- und Lebensmittelindustrie auf deutsche Behörden sowie auf die Risikoforschung. Demnach sind mehrere und zum Teil sogar leitende Mitarbeiter von Behörden und Institutionen, die mit Problemen der Risikoforschung im Bereich der Lebensmittelsicherheit und Agro-Gentechnik befasst sind, von Interessenkonflikten betroffen.
Betroffen sind u.a. folgende Institutionen:
- die Bundesforschungsinstitute im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
- die Expertenkommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR),
- das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie
- die Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln (SKLM) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
„Die vielfältigen Verflechtungen weisen darauf hin, dass die Industrie systematisch Einfluss auf Behörden, Forschung und Risikobewertung nimmt. Dabei scheint sich die Bundesregierung auf den Standpunkt zu stellen, dass man Interessenkonflikte am besten einfach leugnet“, sagt Christoph Then von Testbiotech. „Auf diese Weise hat sich eine gewisse Selbstverständlichkeit im distanzlosen Umgang mit den Interessen der Industrie entwickelt, eine Überprüfung der Industrieverbindungen findet allem Anschein nach nicht wirklich statt.“
Die erwähnten Netzwerke haben Einfluss auf die Forschungspolitik, die Risikoforschung und Risikobewertung, die Durchführung von Forschungsprojekten, die Entscheidungsfindung in der Politik und die öffentliche Meinung. Gleichzeitig hat der Einfluss der Industrie über Drittmittel-Projekte auch an den Universitäten in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Testbiotech warnt davor, dass die Sichtweise der Industrie in der Diskussion über Gentechnik-Risiken immer stärker dominiert und so eine kritische Untersuchung der Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen massiv behindert wird.
Der Bericht schließt an eine ähnliche Analyse von Testbiotech an, die 2012 veröffentlicht wurde und unter anderem zur Grundlage einer Petition im Deutschen Bundestag wurde. Nachdem diese Petition Ende 2014 gescheitert war, zeigt Testbiotech jetzt, dass nach wie vor Handlungsbedarf besteht. Der Regelungsbedarf liegt hier insbesondere beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), dem die genannten Behörden und Forschungsinstitute unterstehen und das selbst in erheblichem Umfang Forschungsgelder vergibt. Ebenfalls betroffen ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das über die DFG eine Schlüsselstellung bei der Förderung der Forschung mit öffentlichen Geldern innehat. Weiterhin zu nennen ist die EU-Kommission, die bei der Vergabe von Projekten im Bereich der Risikoforschung zu wenig Gewicht auf die Unabhängigkeit der Forscher legt.
Testbiotech empfiehlt, die Einflussnahme der Industrie Behörden im Bereich der Lebensmittelsicherheit systematisch zu untersuchen und die Standards zur Vermeidung von Interessenkonflikten deutlich anzuheben, sowie mehr Transparenz bei der Auswahl von Projekten im Bereich der Risikoforschung und die Einrichtung partizipativer Prozesse bei der mit öffentlichen Geldern finanzierten Risikoforschung. Durch verpflichtende Abgaben sollten dafür auch zusätzliche Gelder von der Industrie bereitgestellt werden. Bei der Vergabe der Gelder und der Auswahl von Themen und Projekten sollten in Zukunft auch Organisationen aus Bereichen wie Umwelt- und Verbraucherschutz beteiligt werden. Auf diese Weise könnten neue finanzielle Anreize für vielfältige, unabhängige und ausreichend kritische Forschungsansätze geschaffen werden.
Christoph Then, info@testbiotech.org, 0151 54638040
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