Kommt jetzt der Gentechnik-Wald?

In Schweden sollen erstmals mit neuen Gentechnik-Verfahren manipulierte Bäume freigesetzt werden
Mittwoch, 17. August 2016

Gentechniker in China, den USA und Schweden arbeiten mit sogenannten CRISPR-Verfahren inzwischen auch an Waldbäumen. In Schweden wurden jetzt erste Freisetzungen mit derartigen Pappeln beantragt, die eine Reihe von Veränderungen in ihrem Erbgut aufweisen, die Blüte, Wachstum, Ausbildung von Ästen, Blättern und Wurzeln betreffen. Ziel ist es, Bäume mit deutlich verändertem Wuchs und Aussehen zu schaffen. Ein konkreter Nutzen wird dabei nicht genannt. Eingesetzt wurden verschiedene Gentechnik-Verfahren, darunter auch die neue CRISPR-Technik, die es erleichtern soll, Gene an bestimmten Stellen im Erbgut einzufügen oder stillzulegen.

Die Gentechnik-Industrie fordert, dass Organismen, die mit neuen Gentechnik-Verfahren wie CRISPR hergestellt werden, in Zukunft ohne Zulassungsverfahren freigesetzt werden dürfen. Dagegen zeigen verschiedene Rechtsgutachten, dass CRISPR eindeutig als Gentechnik anzusehen ist und damit hergestellte Organismen der Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht unterliegen. Trotzdem hat es die EU-Kommission bislang versäumt, klare Regelungen für Import und Freisetzung entsprechender Pflanzen und Tiere zu erlassen.

„Aufgrund der zögerlichen Haltung der EU-Kommission drohen wir die Kontrolle über die Freisetzungen und den Import von Gentechnik-Organismen zu verlieren. Schon jetzt könnte der Import von nicht gekennzeichneten gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren aus den USA und China eine Realität sein. Zudem könnten sich Firmen und Forschungseinrichtungen in der EU dazu ermuntert fühlen, entsprechende Organismen ohne Genehmigung freizusetzen oder zu verkaufen“, sagt Christoph Then für Testbiotech. „Gentechnisch veränderte Waldbäume sind sogar ein besonderes Risiko für die biologische Vielfalt, da sich deren künstliches Erbgut in empfindlichen Ökosystemen ausbreiten kann.“

Waldbäume stehen in vielfältigen Wechselwirkungen mit ihrer Umwelt u. a. über Wurzelpilze, Insekten, Wildtiere und andere Pflanzenarten. Pappeln produzieren im Laufe ihres Lebens Millionen von Pollen oder Samen, die mit dem Wind über Kilometer transportiert werden können. Das künstlich veränderte Erbgut kann sich mit den Pollen, Samen und auch über Sprösslinge in der Umwelt verbreiten. Anders als Nutzpflanzen wie Mais können Pappeln sehr alt werden, ihre genetische Stabilität gilt deswegen als fraglich, und die Wahrscheinlichkeit unerwarteter Langzeitfolgen ist hoch. Gelangen die Gentechnik-Bäume in die natürlichen Populationen, kann es zu nicht umkehrbaren Folgen für die Ökosysteme kommen.

„Die EU-Kommission muss jetzt zügig für Rechtssicherheit bei neuen Gentechnikverfahren sorgen, sonst verlieren wir die Möglichkeit, die biologische Vielfalt ausreichend zu schützen“, sagt Christoph Then. „Das Problem der unkontrollierten Anwendungen dieser Verfahren betrifft auch Lebensmittelpflanzen wie Raps und Mais und sogar Rinder und Schweine, deren Zuchtmaterial in die EU importiert wird.“

Die EU-Kommission hatte schon für Ende 2015 die Vorlage klarer Regelungen angekündigt, dann die Entscheidung aber ohne ein klares Zeitlimit vertagt. Beobachter in Brüssel gehen davon aus, dass hier die Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen TTIP und CETA eine erhebliche Rolle spielen. In den USA können bereits jetzt gentechnisch veränderte Pflanzen ohne klare Regelungen, die deren Ausbreitung in der Umwelt verhindern könnten, freigesetzt werden. Im Rahmen der Freihandelsabkommen sollen die Vorschriften für Gentechnik-Regulierung zwischen der EU, den USA und Kanada angeglichen werden, wodurch das Vorsorgeprinzip der EU erheblich geschwächt werden könnte.

Kontakt: 

Christoph Then, Tel 0151 5463804, info@testbiotech.org

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