Risikoprüfung von Gentechnik-Soja entpuppt sich als Fake

Erstmals stehen Pflanzen mit dreifacher Resistenz gegen Herbizide vor Zulassung
Dienstag, 12. September 2017

Wie Testbiotech bei einer Analyse von Antragsunterlagen der Firmen Bayer und Dow AgroSciences feststellte, wurden bei der Risikoprüfung von Gentechnik-Sojapflanzen wichtige Bereiche nicht berücksichtigt. So setzte der Bayer-Konzern im Versuchsanbau nur rund ein Kilogramm Glyphosat pro Hektar ein. Unter Praxisbedingungen werden dagegen Aufwandsmengen von bis zu vier oder sogar acht Kilogramm pro Hektar empfohlen. Die Pflanzen der Firma Dow AgroSciences sind gegen mehr Herbizidwirkstoffe resistent, als aus dem Prüfbericht der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA hervorgeht. Entsprechende Daten zur Risikobewertung fehlen.

Diese neuen Erkenntnisse sind für die jetzt anstehenden EU-Zulassungen brisant: Demnächst soll in der EU erstmals der Import von Gentechnik-Soja genehmigt werden, die gegen drei verschiedene Wirkstoffgruppen von Herbiziden resistent gemacht wurde. Es wäre die erste derartige EU-Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen. Die Mitgliedsländer werden am 14. September darüber abstimmen. Mit Spannung wird dabei erwartet, wie sich Deutschland verhalten wird: Landwirtschaftsminister Schmidt (CSU) hatte durch seine bisherigen Enthaltungen bei früheren Abstimmungen die Zulassung der Soja indirekt befürwortet.

„Die Risikoprüfung dieser Sojabohnen ist ein Fake“, fasst Christoph Then von Testbiotech die bislang vorliegenden Erkenntnisse zusammen. „Die derzeitige Zulassungspraxis erinnert an den Abgasskandal: Die Prüfung der Gentechnik-Pflanzen ist so organisiert, dass die eigentlichen Risiken gar nicht erst untersucht werden.“

In den USA, Brasilien und Argentinien wird Gentechnik-Soja, die gegenüber Glyphosat resistent ist, schon seit Jahren angebaut. Dort haben sich zahlreiche Unkrautarten an den Einsatz dieses Spritzmittels angepasst, die Spritzmittelmenge steigt ebenso wie die Anzahl der Spritzvorgänge. Zudem werden die Pflanzen noch gegen weitere Unkrautvernichtungsmittel resistent gemacht. Im Fall der neuen Gentechnik-Soja sind dies mehrere bedenkliche Herbizidwirkstoffe: Glyphosat steht im Verdacht, Krebs auszulösen, Glufosinat ist laut Bewertung der EFSA fortpflanzungsschädigend. Das Herbizid Isoxaflutol ist offiziell als „möglicherweise krebserregend“ klassifiziert. Bei der Anwendung von 2,4-D an gentechnisch veränderten Pflanzen besteht laut jüngsten Publikationen der Verdacht, dass krebserregende Abbaustoffe entstehen.

Werden die Herbizide an den Pflanzen nicht unter realistischen Bedingungen getestet, ist es nicht möglich, Daten über die tatsächliche Menge an Rückständen in der Ernte zu gewinnen und damit die gesundheitlichen Risiken angemessen zu bewerten. Zudem können sich in Abhängigkeit von der Menge der ausgebrachten Spritzmittel auch die Inhaltsstoffe der Pflanzen verändern und beispielsweise Allergien oder die Wirkung pflanzlicher Östrogene verstärken.

Trotz aller Risiken wurden die jetzt zur Zulassung angemeldeten Pflanzen nicht in Fütterungs­versuchen auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit getestet.

Nachdem die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA bereits grünes Licht gegeben hat, müssen jetzt die EU-Mitgliedsländer in einer zweiten Abstimmung über die Zulassung entscheiden. Wird der Antrag nicht abgelehnt, kann die EU-Kommission den Import genehmigen. Testbiotech fordert die deutsche Bundesregierung und den zuständigen Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt auf, sich gegen die Zulassung einzusetzen.

Die Untersuchung der Zulassungsunterlagen durch Testbiotech ist noch nicht abgeschlossen, die Europäische Lebensmittelbehörde und die Firma Bayer verzögern derzeit die Akteneinsicht in wichtige Unterlagen. Testbiotech wird so bald wie möglich weitere Details veröffentlichen.

Kontakt: 

Christoph Then, Tel 0151 54638040, info@testbiotech.org

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