Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat einen Entwurf für neue Leitlinien zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit publiziert und stellt diese zur Diskussion. Nach Ansicht von Testbiotech gibt es dabei erheblichen Verbesserungsbedarf. Die Behörde muss nach Ansicht der Organisation die Unabhängigkeit von der Agrar- und Lebensmittelindustrie als zentrales Ziel definieren, was bei dem vorliegenden Entwurf nicht der Fall ist.
Der jetzt veröffentlichte Text gibt dem Schutz von Umwelt und Gesundheit keinen eindeutigen Vorrang vor den Geschäftsinteressen der Agrar- und Lebensmittelindustrie, sondern behandelt vielmehr die Interessen aller Beteiligten als gleichwertig. Testbiotech fordert hingegen, dass die EFSA sich zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit insbesondere vor einer Einflussnahme durch die Agrar- und Lebensmittelindustrie schützen sollte. Die Behörde soll hier Partei für den Schutz der Allgemeininteressen ergreifen und sich klar zu ihren Schutzzielen bekennen.
„Wir erwarten, dass die EFSA ihren Job macht, bei der Prüfung der Risiken höchste wissenschaftliche Standards anlegt und die Risiken und Unsicherheiten klar benennt. Voraussetzung dafür ist jedoch eine kritische Auswahl der ExpertInnen, um den Einfluss der Industrie im Bereich der Risikoforschung zurückzudrängen“, sagt Christoph Then für Testbiotech. „Die Industrie behandelt die Wissenschaft derzeit fast wie einen Selbstbedienungsladen. Hier muss eine Behörde, deren Aufgabe der Schutz von Mensch und Umwelt ist, ein Gegengewicht setzen.“
Auch im Detail des Leitlinien-Entwurfs zeigen sich deutliche Mängel: Die Kriterien für die Bewertung von Interessenkonflikten sind zu eng gefasst: Bei den ExpertInnen der EFSA-Gremien wird keineswegs der gesamte Aufgabenbereich der Behörde berücksichtigt, sondern nur das jeweils spezielle Fachgebiet, für das die ExpertIn offiziell zuständig sind. Da die Interessen im Bereich der Agrar- und Lebensmittelindustrie jedoch oft eng verflochten sind, geht dieser Ansatz nicht weit genug.
Zudem ist eine „Abkühlperiode“ zwischen dem Wechsel von der Industrie zur EFSA nur dann vorgesehen, wenn die jeweiligen ExpertInnen beispielsweise bei der Industrie angestellt waren. Eine derartige Übergangsregel gilt hingegen nicht, wenn sie Lobbyarbeit geleistet haben, ohne dafür offiziell angestellt gewesen zu sein, oder wenn sie in Organisationen mit engen Verbindungen zur Industrie tätig waren. In den letzten Jahren wurde die Arbeit der Behörde bereits mehrfach durch Aktivitäten von Organisationen wie dem International Life Sciences Institute (ILSI) beeinträchtigt, das von der Industrie finanziert wird. Nach den bisherigen Vorschlägen sieht es so aus, als ob ExpertInnen, die jahrelang in ILSI-Arbeitsgruppen aktiv waren, auch in Zukunft direkt zur EFSA wechseln könnten.
Es gibt noch weitere Mängel im Entwurf der EFSA, wie z. B. eine Regelung, die erlauben soll, dass die Experten auch während ihrer Tätigkeit bei der Behörde bis zu 25 Prozent ihrer Forschungsmittel von der Industrie erhalten dürfen.
Kritisch sieht Testbiotech darüber hinaus, dass die EFSA in der Regel alle Experten akzeptieren will, die von den Mitgliedsländern benannt werden. Es gibt derzeit aber keine einheitlichen Standards zur Wahrung der Unabhängigkeit nationaler Behörden.
Die geplanten Regelungen stehen teilweise im Gegensatz zu Forderungen des EU-Parlaments, wie sie letzte Woche dort im Budget-Ausschuss beschlossen wurden. Das Parlament fordert u. a. Abkühlperioden, die alle relevanten Interessen, alle ExpertInnen und alle Aufgabenbereiche der EFSA umfassen.
Christoph Then, Tel 0151 54638040, info@testbiotech.org
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