Alternativen
Agrarökologie als nachhaltige Antwort auf zukünftige Herausforderungen
Erwartungen
Transgene Pflanzen wurden bei deren Einführung vor rund 30 Jahren als besonders nachhaltige Alternative zu bestehenden Anbausystemen bzw. als Lösung
für die Probleme und Herausforderungen der (konventionellen) Landwirtschaft beworben. Heute werden bei der Diskussion rund um die Regulierung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT)
nahezu dieselben ‚Vorteile‘ aufs Neue versprochen, wie etwa die Anpassung an den Klimawandel, die Sicherung der Welternährung oder die Reduktion von Düngemitteln und Pestiziden. Es
wird behauptet, dass mithilfe von optimierten ‚Superpflanzen‘ aus Neuer Gentechnik die Züchtung beschleunigt, die Nahrungs- und Futtermittelqualität verbessert und eine
pflanzenbasierte Bioökonomie vorangetrieben werden kann. Dadurch soll die Landwirtschaft der Zukunft produktiver und nachhaltiger werden.
Realität
Betrachtet man die natürlichen Anpassungsprozesse von Ökosystemen an sich verändernde Umweltbedingungen, so wird deutlich, dass die Evolution nicht
darauf abzielt, dass einzelne Arten optimal angepasst sind. Nicht ‚der Fitteste‘ überlebt auf Dauer, sondern die Populationen und Ökosysteme, die vielfältig genug sind, um auch neuen
Herausforderungen wie beispielsweise dem Klimawandel rasch reagieren zu können. Es geht also eher um Vielfalt als um optimierte Anpassung. Vor diesem Hintergrund sind agrarökologische
Strategien zur Steigerung der Diversität in der Landwirtschaft durch Erhöhung der Sorten- und Artenvielfalt inzwischen sowohl praktisch als auch wissenschaftlich gut etabliert. Im
Zentrum der Theorie der Agrarökologie steht die Förderung positiver Wechselwirkungen und Synergien zwischen Pflanzen, Tieren, Boden und Wasser. Sie setzt auf Diversifizierung z. B.
durch den Anbau von Mischkulturen und Zwischenfrüchten, Agroforstwirtschaft und Nutzung von lokal angepasstem Saatgut. Diese Praktiken dienen insbesondere der Verbesserung der
Bodenstruktur, der Regulation des Wasserhaushalts, und der Tier- und Pflanzengesundheit. Dadurch können chemisch-synthetische Betriebsmittel vermieden und vielfältige,
widerstandsfähige und produktive Agrarökosysteme geschaffen werden. Agrarökologische Prinzipien gelten auch für Wälder und Grünland: Mischwälder reagieren wesentlich robuster auf den
Klimawandel als beispielsweise Fichtenwälder in Monokultur. Wiesen und Weideflächen mit einem breiten Artenspektrum und hoher genetischer Vielfalt können ebenfalls bedeutend
widerstandsfähiger sein als jene mit weniger Artenvielfalt und geringer genetischer Variabilität. Im systemischen Ansatz der Agrarökologie können neben diesen ökologischen auch
sozio-ökonomische Aspekte wie die verschiedenen Formen der (klein-) bäuerlichen Nahrungsmittelproduktion, die Ernährungssouveränität und die gerechte Verteilung von Ressourcen
berücksichtigt werden.
Konsequenzen
Im Gegensatz zu den Nachhaltigkeitsversprechen der Neuen Gentechnik bieten die Prinzipien der Agrarökologie schon jetzt passende Antworten auf viele
aktuelle und zukünftige Herausforderungen. Die Praxis zeigt, dass die Art der landwirtschaftlichen Gesamtsysteme und die Wahl der angebauten Kulturen oft einen weitaus größeren
Einfluss auf die Nachhaltigkeit haben als die Züchtung einzelner ‚Superpflanzen‘. Die genetische Vielfalt innerhalb der Arten und der ökologischen Netzwerke ist ein Schlüssel zu einem
breiten Spektrum an möglichen Lösungsansätzen. Der Agrarökologie wird deswegen ein großes Potential im Hinblick auf eine sozial-ökologische Transformation der Agrar- und
Ernährungssysteme beigemessen. Der Einsatz von NGT-Pflanzen setzt hingegen weiterhin vor allem auf das bestehende Modell der industriellen Landwirtschaft und kann die damit
einhergehenden Nachteile für die Umwelt und Nahrungsmittelerzeugung sogar noch verstärken. Im Rahmen der Technikfolgenabschätzung von NGT-Pflanzen sollten daher auch die Alternativen
aus der Agrarökologie berücksichtigt und bevorzugt eingesetzt werden.
Weitere Informationen:
TA Bericht
WBGU (2020): Landwende im Anthropozän - Von der Konkurrenz zur Integration
Konventionelle Züchtung liefert bereits nachhaltige, robuste und risikoarme Lösungen
Erwartungen
Mithilfe der Neuen Gentechnik (NGT) sollen Pflanzen erzeugt werden, die besser an den Klimawandel angepasst sind, mehr Ertrag liefern und Düngemittel
oder Pestizide einsparen. Nach Aussagen der AnwenderInnen würden herkömmliche Züchtungsverfahren Pflanzen mit solchen Eigenschaften nur sehr begrenzt bzw. nur mit erheblichem Aufwand
hervorbringen können. Zudem wird immer wieder betont, dass der Einsatz der NGTs zu einer erheblichen Beschleunigung der Pflanzenzucht führen würde. Aufgrund dieser Argumentation wird
davon ausgegangen, dass die Neue Gentechnik in Zukunft ein entscheidendes Instrument für eine produktivere und nachhaltigere Landwirtschaft darstellen wird.
Realität
Betrachtet man die aktuellen Entwicklungen der internationalen Patentanmeldungen von Pflanzen, bei denen NGTs eingesetzt wurden und die für eine
nachhaltige Landwirtschaft und/oder den Klimaschutz von Bedeutung sind, zeigt sich, dass eine Vielzahl dieser Patente eigentlich konventionelle Züchtungsmethoden (einschließlich
Zufallsmutagenese) beschreibt. Bei einem Großteil dieser Pflanzen wurden ohne den Einsatz von NGTs Eigenschaften erzielt, die zu einer erhöhten Toleranz gegenüber Umwelteinflüssen
führen. Hierbei handelt es sich u.a. um Resistenzen gegen Infektionen mit Bakterien, Viren oder Pilzen wie beispielsweise falscher Mehltau, Jordanvirus oder Kraut- und Knollenfäule.
Darüber hinaus gibt es ohne den Einsatz von NGTs verschiedene Ansätze, um neben der Ertragssteigerung auch klimarelevante Eigenschaften wie die Toleranz gegenüber Trockenheit zu
erhöhen. Das Spektrum der Pflanzenarten reicht dabei von wichtigen Ackerpflanzen wie Mais, Reis, Weizen oder Raps über verschiedene Gemüse bis hin zu Obst. Diese Beispiele zeigen, dass
viele der für NGTs beanspruchten Vorteile mit konventionellen Methoden erreicht werden können.
Darüber hinaus liegen einige dieser Eigenschaften auf sogenannten ‚Quantitative Trait Loci‘ (QTLs), also mehreren verschiedenen Erbinformationen innerhalb eines bestimmten Chromosomenabschnitts, die an der Ausprägung von bestimmten Eigenschaften wie z.B. Ertrag oder Stressresistenz beteiligt sind. Die exakten genetischen Grundlagen dieser Eigenschaften sind auf DNA-Ebene oft nicht genau definiert und können erheblich durch den genetischen Hintergrund der jeweiligen Sorte beeinflusst werden. Für die konventionelle Züchtung wird eine große genetische Vielfalt benötigt, die in den verfügbaren Sorten bereits vorhanden ist und ggf. durch Zufallsmutagenese erhöht werden kann. Im Gegensatz dazu können Züchtungsmerkmale mit der Neuen Gentechnik nur dann erzeugt werden, wenn die entsprechenden DNA-Bereiche genau bekannt sind. In vielen Fällen ist es daher viel einfacher, komplexe Eigenschaften, die auf QTLs basieren, mit konventioneller Züchtung zu erreichen.
Resümee
Mit konventionellen Züchtungsmethoden (einschließlich der Zufallsmutagenese) können viele Eigenschaften hervorgerufen werden, die sich positiv auf eine
nachhaltige Landwirtschaft und die Abschwächung des Klimawandels auswirken. Diese Methoden werden kontinuierlich weiterentwickelt und es gibt inzwischen eine ganze Reihe interessanter
Ansätze mit vielversprechenden Ergebnissen (z.B. SMART-Breeding bzw. Markergestützte Selektion (MAS), Speed-Breeding oder Populationszüchtung). Zudem ist allgemein anerkannt, dass
künftige Herausforderungen wie beispielsweise der Klimawandel am ehesten durch eine höhere Vielfalt auf dem Acker aufgefangen werden kann. Sollte die Neue Gentechnik von Forschung und
Politik im Vergleich zur konventionellen Zucht zukünftig mit Vorrang behandelt werden, wie es beispielsweise von der EU-Kommission zur Erreichung der Ziele innerhalb des Europäischen
„Green Deal“ und der „Farm-to-Fork“-Strategie vorgeschlagen wird, könnten dadurch dringend benötigte Lösungen, die tatsächlich echte Vorteile hervorbringen, verlangsamt oder sogar
verhindert werden. Unter diesen Umständen sollten – insbesondere wenn es um die Frage der Nachhaltigkeit geht – im Zweifelsfall die traditionellen Methoden der Züchtung mit Vorrang
behandelt werden, da bei Pflanzen (und Tieren) die aus konventioneller Züchtung stammen, in der Regel weniger Unsicherheiten hinsichtlich der Gefahren und Risiken zu erwarten sind als
bei solchen aus (Neuer) Gentechnik. Im Rahmen der Technikfolgenabschätzung von NGT-Pflanzen sollten daher immer auch alternative Ansätze aus der klassischen Züchtung berücksichtigt und
bevorzugt eingesetzt werden. Wichtig ist es dabei auch, darauf zu achten, dass konventionell gezüchtete Pflanzen nicht patentiert werden, um den Zugang zur biologischen Vielfalt für
kleine und mittelständische ZüchterInnen offen zu halten.
Weitere Informationen:
TA Bericht
Patentbericht No Patents on Seeds
FAO Bericht nachhaltige Landwirtschaft