Anne Glover tritt als Botschafterin für Gentechnik auf
31. Juli 2014 In einem Brief mehrerer Nichtregierungsorganisationen, den auch Testbiotech unterzeichnet hat, wird der designierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aufgefordert, die Stelle eines EU-Chefwissenschaftlers abzuschaffen. Die Position einer Chefberaterin der EU-Kommission wurde im Jahr 2011 eingeführt und ist mit Anne Glover aus Schottland besetzt. Glover hat sich seitdem mehrfach für Gentechnik in der Landwirtschaft stark gemacht und unter anderem behauptet, dass beim Verzehr von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln kein größeres Risiko bestehe als beim Verzehr konventionell angebauter Nahrungsmittel, weil es bisher keinen Nachweis für Schäden gäbe.
Derartige Aussagen sind problematisch: Zum einen werden sie von der Industrie gerne als Beweis für die Sicherheit der Agrogentechnik zitiert, zum anderen stehen sie im Gegensatz zu den Grundlagen der Gentechnikpolitik in der EU. Diese beruht auf dem Prinzip der Vorsorge und erfordert auch dann die Prüfung von Risiken, wenn es noch keinen Nachweis für Schäden gibt. Tatsächlich kann nicht behauptet werden, dass gentechnisch veränderte Pflanzen sicher seien. In den letzten Jahren sind aufgrund wissenschaftlicher Forschung auch immer wieder neue Fragen bezüglich der Sicherheit der Produkte aufgetaucht. Dies hatte Testbiotech bereits im Januar 2014 in einem Bericht herausgestellt und deswegen auch Frau Glover für Ihre Aussagen kritisiert. Sogar EU-Kommissionspräsident Barroso hatte klargestellt, dass die Aussagen von Glover nicht unbedingt die Position der Kommission wiedergeben.
Insbesondere in England, wo es den Posten eines wissenschaftlichen Chefberaters schon länger gibt, melden sich inzwischen verschiedene Unterstützer der Position von Anne Glover zu Wort. Dabei wird Frau Glover u.a. geraten, sich in Zukunft auch zu anderen Fragen als der Gentechnik prominent zu äußern.
Tatsächlich geht es in dieser Diskussion nicht nur um das Thema Gentechnik. Durch die Benennung eines wissenschaftlichen Chefberaters wird der Eindruck erweckt, es könne so etwas wie eine höchste wissenschaftliche Instanz geben, die man in allen schwierigen Fragen anrufen kann, um zu wissenschaftlich verlässlichen Entscheidungen zu kommen. Ein derartiger Anspruch kann jedoch nicht erfüllt werden. Wissenschaft ist genauso wie die Gesellschaft von einer Pluralität von Interessen und Meinungen geprägt. Frau Glover, die selbst an der Gründung einer Firma und der Anmeldung eines Patentes im Bereich Biotechnologie beteiligt war, ist dafür ein gutes Beispiel.
Nach Ansicht von Testbiotech kann das Verhältnis von Wissenschaft und Politik nur im Dialog organisiert werden, der Positionen und Gegenpositionen ausreichend berücksichtigt. Eine Institution oder Person, die beispielsweise behauptet, es gäbe einen Konsens über die Sicherheit gentechnisch veränderter Organismen, kann diesen Anspruch nicht erfüllen. Grundsätzlich ist die Idee, dass eine einzelne Person oder eine Institution als wissenschaftlich oberste Entscheidungsinstanz funktionieren kann, nicht zeitgemäß und entspricht nicht dem diskursiven Charakter wissenschaftlicher Arbeitsweisen. Testbiotech unterstützt deswegen mit Nachdruck die Forderung, die Position des wissenschaftlichen Chefberaters der EU-Kommission abzuschaffen.