EU-Kommission hat Verbot wohl nie ernsthaft in Betracht gezogen
24. Mai 2017 / Die EU-Kommission hat angekündigt, die Zulassung von Glyphosat um weitere zehn Jahre zu verlängern. Grundlage der Entscheidung ist angeblich die jüngste Einschätzung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), die Glyphosat im März 2017 für unbedenklich erklärt hatte. Auf diese aktuelle Einschätzung beruft sich nun zumindest die EU-Kommission. Doch offensichtlich hat sie schon lange zuvor nie ernsthaft in Erwägung gezogen, den Wirkstoff tatsächlich zu verbieten: Denn während offiziell noch über die Bewertung von Glyphosat diskutiert wurde, hatte die EU-Kommission bereits insgesamt 14 neue Importzulassungen für Gentechnik-Pflanzen erteilt, die gegen Glyphosat resistent gemacht wurden und in der Regel mit entsprechenden Rückständen belastet sind.
Im März 2015 hatte die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO (IARC) zum ersten Mal davor gewarnt, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend sei. In der Folge war die weitere Zulassung des Wirkstoffs heftig umstritten. Doch statt vorsorglich Maßnahmen für ein mögliches Glyphosat-Verbot in die Wege zu leiten, hat die EU-Kommission ganz andere Fakten geschaffen: Seit April 2015 hat sie je vier Importgenehmigungen für Gentechnik-Soja, -Mais und -Baumwolle sowie zwei für Gentechnik-Raps erteilt. Alle diese Pflanzen wurden gegen Glyphosat resistent gemacht und werden in der EU vor allem als Futtermittel eingesetzt. Jede der Zulassungen gilt für mindestens zehn Jahre.
Hätte die EU jetzt den Einsatz von Glyphosat nicht verlängert, hätte auch der Import dieser Futtermittel verboten werden müssen. Doch das scheint schwer vorstellbar. Offensichtlich hat sich die EU-Kommission erpressbar gemacht, weil sie es versäumt hat, rechtzeitig für ausreichende Futtermittel-Alternativen zu sorgen. Tatsächlich hat die Industrie der EU schon 2016 damit gedroht, dass die Versorgung mit Futtermitteln zusammenbrechen werde, falls ihre mit Glyphosat belasteten Gentechnik-Produkte nicht weiter importiert werden dürften.
Insbesondere für Soja-Importe aus Ländern wie Argentinien, Brasilien und den USA, in denen Glyphosat zum Teil in extrem hohen Dosierungen eingesetzt wird, gibt es kurzfristig keine ausreichenden Alternativen. Um ein Verbot in der EU möglich zu machen, hätte man beispielsweise den Anbau gentechnikfreier Soja, wie er in manchen Regionen der EU bereits realisiert wird, konsequent fördern müssen.
Etliche der Gentechnik-Pflanzen, die in letzter Zeit zugelassen wurden, sind nicht nur gegen Glyphosat resistent. Vielmehr können sie mit weiteren Spritzmitteln wie 2,4-D, Dicamba, Glufosinat und Isoxaflutol, die ebenfalls gesundheitsgefährdende Rückstände hinterlassen, in Kombination gespritzt werden. Besonders problematisch dabei ist, dass die EU-Kommission nicht verlangt, die Pflanzen, die diese Rückstände enthalten, in Fütterungsversuchen auf gesundheitliche Risiken zu untersuchen, bevor eine Entscheidung über die Importerlaubnis getroffen wird. Die Mischung der Rückstände kann erheblich giftiger sein als Glyphosat allein.
„Solange keine umfassende Untersuchung der tatsächlichen gesundheitlichen Risiken der entsprechenden Rückstände vorliegen, dürfen keine weiteren Gentechnik-Pflanzen mehr für den Import zugelassen werden, die gegen Glyphosat oder andere Herbizide resistent gemacht wurden. Parallel müssen Alternativen konsequent gefördert werden, mit deren Hilfe die Abhängigkeit der EU von Soja-Importen verringert werden kann. Zudem sollten alle Möglichkeiten, den Gebrauch von Glyphosat und anderen Herbiziden in Deutschland einzuschränken, konsequent genutzt werden“, fordert Christoph Then für Testbiotech.