EU-Kommission macht sich die Kampfbegriffe der Industrie zu eigen
16. Juni 2021 / Testbiotech veröffentlicht heute eine Analyse, die zeigt, dass sich die EU-Kommission bestimmte Kampfbegriffe der Gentechnikindustrie zu eigen macht und damit erhebliche rechtliche Verwirrung auslöst. ExpertInnen mit engen Verbindungen zur Industrie hatten den Begriff ‚konventionelle Gentechnik‘ eingeführt, um den Eindruck zu erwecken, dass die Methoden der Gentechnik nicht mit spezifischen Risiken verbunden seien. Diese Terminologie wurde dann von der EU-Kommission ohne jegliche Begründung in einen Bericht zur ‚Neuen Gentechnik‘ (Genome Editing) übernommen. Eine mögliche Konsequenz ist die weitgehende Deregulierung von gentechnisch veränderten Organismen ‚durch die Hintertür‘.
Die neue ‚industriegerechte‘ Begrifflichkeit wird in einem Bericht der EU-Kommission zum Thema Neue Gentechnik verwendet, der im April 2021 veröffentlicht wurde. Im Bericht und dem entsprechenden Glossar wird der Begriff ‚konventioneller GMO‘ (GMO: genetisch modifizierter Organismus) als ‚transgen‘ definiert. Damit wird der Eindruck erweckt, dass Gentechnik so sicher sei wie konventionelle Züchtung.
Diese neue Begrifflichkeit steht im Widerspruch zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und der Gentechnikgesetze der EU: Hier wird der Begriff ‚konventionell‘ verwendet, um traditionelle Methoden zu bezeichnen, die auf der Nutzung der genetischen Vielfalt und den natürlichen biologischen Mechanismen beruhen. Die resultierenden Eigenschaften könnten daher auch natürlicherweise auftreten und werden als sicher angesehen. Dagegen gehen die gentechnischen Verfahren mit spezifischen, inhärenten Risiken einher und können auch genetische Veränderungen herbeiführen, die natürlicherweise nicht zu erwarten sind.
Die rechtliche und wissenschaftliche Unterscheidung von ‚konventioneller Züchtung‘ und Gentechnik beruht auf der EU-Richtlinie 2001/18/EG und ist Grundlage der Arbeit der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA. Auch nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (C-528/16) müssen Pflanzen, die mit Verfahren der alten oder neuen Gentechnik verändert werden, auf ihre Risiken geprüft werden und sind nicht ‚konventionell‘.
Die neue Terminologie der EU-Kommission verwischt diese Gegensätze und damit die Grundlage des EU-Gentechnikrechts. Wie in dem neuen Hintergrund gezeigt wird, wurde die Begrifflichkeit von ExpertInnen eingeführt, die der Gentechnikindustrie nahestehen und seit langem vehement für eine Deregulierung von alter und neuer Gentechnik eintreten.
Testbiotech fordert die EU-Kommission jetzt dazu auf, den Bericht zu Neuer Gentechnik gründlich zu überarbeiten, und verweist dabei auch auf eine bereits vorgelegte weitere Analyse.
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Christoph Then, info@testbiotech.de, Tel 0151 54638040