Notwendigkeit zu fallspezifischer Risikoprüfung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik
26. Oktober 2021 / Eine neue wissenschaftliche Publikation im Fachjournal Plants gibt einen Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten der Neuen Gentechnikverfahren und ihre spezifischen Risiken. Die Studie zeigt, dass vermeintlich kleine Veränderungen im Erbgut von Nutzpflanzen auch zahlreiche komplexe Veränderungen auslösen können. Pflanzen aus Neuer Gentechnik müssen, so das Ergebnis der Studie, eine fallspezifische Risikoprüfung durchlaufen, die sowohl die Eigenschaften des Endprodukts als auch verfahrensbedingten Risiken berücksichtigt.
Die Studie ist in der Sonderausgabe „Potential Unintended Effects of Genetic Technologies in Plants“ des Journals Plants erschienen. Im Zentrum stehen sogenannte SDN-1-Anwendungen der ‚Gen-Scheren‘ wie CRISPR/Cas, die kleine genetische Veränderungen im Erbgut von Zielorganismen bewirken können. Werden diese mehrfach und in Kombination angewandt, kann es zu erheblichen Veränderungen des Stoffwechsels und der Inhaltsstoffe von Pflanzen kommen.
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass mit Hilfe von kleinen Veränderungen einzelne Gene in etwas mehr als der Hälfte der untersuchten Nutzpflanzen ausgeschaltet werden. Darunter auch die bereits in Japan zugelassene ‚CRISPR-Tomate‘, die einen stark erhöhten Gehalt eines blutdrucksenkenden Inhaltsstoffes (GABA) aufweisen soll. Dabei zeigt dieser Fall, dass die entsprechenden Gene mit konventioneller Züchtung nicht so verändert werden konnten, wie dies mit der Gen-Schere gelang.
SDN-1-Anwendungen werden auch dazu verwendet, um gleichzeitig mehrere Gene (Multiplexing) oder mehrere Genvarianten auf einmal zu verändern. So wurden beispielsweise in einer Studie mit Leindotter gleich 18 Genkopien der Zielgene ausgeschaltet, um Pflanzen mit höherem Ölsäure-Gehalt zu erzeugen. Auch solche Eingriffe waren mit konventionellen Methoden bisher kaum bzw. nicht möglich und können zu ganz neuen biologischen Eigenschaften führen.
Neben den beabsichtigten genetischen Veränderungen der SDN-1-Anwendungen werden auch spezifische und zum Teil neuartige Risiken der Gen-Scheren vorgestellt, die durch unbeabsichtigte Effekte entstehen. Zum einen handelt es sich dabei um sogenannte Off-Target-Effekte, die dadurch entstehen, dass die Gen-Schere an unbeabsichtigten Stellen des Erbguts schneidet und dort Veränderungen auslöst. Zum anderen können die Gen-Scheren auch an der Zielsequenz ungewollte Veränderungen hervorrufen (auch On-Target-Effekte genannt). Viele dieser unbeabsichtigten Off- und On-Target-Effekte entstehen durch die mehrstufigen Verfahren der Neuen Gentechnik. Bei der Risikobewertung müssen die unbeabsichtigten Veränderungen daher sowohl im Erbgut und als auch im Stoffwechsel der Pflanzen eingehend untersucht werden.
Die Publikation ist von besonderer Relevanz im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um die zukünftige Regulierung neuer Gentechnikverfahren. Die EU-Kommission hat Ende September ein Dokument vorgelegt, das eine weitreichende Deregulierung von u.a. SDN-1- Anwendungen bei Pflanzen andeutet, wenn diese so auch konventionell erzeugbar sind. Dabei missachtet sie jedoch weitgehend aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Risiken der neuen Verfahren betreffen.
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