Gentechnisch veränderte Mikroben bleiben oft unentdeckt
18. November 2021 / Gentechnik-Bakterien werden unter anderem dazu verwendet, um Enzyme und Vitamine für die Lebensmittelindustrie zu produzieren. Dabei gelangen ungewollt immer wieder auch die Bakterien selbst in den Prozess der Lebens- und Futtermittelherstellung. Die EU-Mitgliedsländer entdeckten in den letzten Jahren mehr als ein Dutzend Fälle, die mehr als 20 Länder betreffen. Die Gentechnik-Bakterien verfügen über Resistenzgene gegen Antibiotika, die mit Darmbakterien ausgetauscht werden können. Genauere Untersuchungen zeigen jetzt ein erhebliches Risiko für die Lebensmittelsicherheit.
Entdeckt wurden lebensfähige Gentechnik-Bakterien unter anderem in Proben von sogenannten Proteasen, die als Enzyme zur Verarbeitung von Lebens- und Futtermitteln eingesetzt werden. In diesem Fall wurden die Produkte wurden aus China importiert, betroffene Länder waren u.a. Deutschland und Italien, im EU-Schnellwarnsystem (RASFF) registriert als 2019.3332. Im Erbgut dieser Bakterien fanden sich unter anderem Genkonstrukte mit Resistenzen gegen mehrere Antibiotika. Für Kontaminationen mit gentechnisch veränderten Organismen, die für die Produktion der Enzyme eingesetzt werden, gilt in der EU eine Null-Toleranz im Endprodukt. Auch dürfen die Produkte nicht mit der DNA von Gentechnik-Bakterien verunreinigt sein.
Eine aktuelle Publikation belgischer WissenschaftlerInnen (zu RASFF 2019.3332) zeigt jetzt, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es beispielsweise zu einer Genübertragung von Gentechnik-Bakterien auf pathogene Keime kommen kann, hoch ist. Zudem scheint die Genomorganisation bei den Gentechnik-Bakterien gestört: Zusätzliche Genkonstrukte und fehlerhafte Genkopien finden sich an unerwarteten Stellen im Erbgut der Mikroben. Die AutorInnen schließen auf erhebliche Risiken für die Lebensmittelsicherheit und die öffentliche Gesundheit: „These findings raise serious food safety and public health concerns...“.
Bereits 2018 hatte die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA in einem anderen Fall gesundheitliche Risiken durch die Kontamination mit Gentechnik-Bakterien festgestellt. Dabei ging es um mehrfache Funde lebensfähiger Bakterien in Futtermitteln, die zur Produktion von Vitaminen (B2) eingesetzt wurden. Zudem wurden 2020 auch in Proben von Amylase-Enzymen die Spuren von Gentechnik-Bakterien gefunden. Amylasen werden in Backwaren verwendet und können u.a. den Effekt haben, dass die Produkte frischer wirken, als sie es tatsächlich sind. Viele der verunreinigten Produkte stammten aus Deutschland.
Die Liste der Länder, die in den letzten Jahren laut RASFF von Verunreinigungen mit gentechnisch veränderten Bakterien betroffen waren, ist lang und umfasst u.a. Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Kanada, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Südafrika, Türkei und USA.
Viele der aktuellen Untersuchungen gehen auf die Aktivität einer staatlichen Forschungsinstitution (Sciensano) in Belgien zurück. Die ForscherInnen haben Nachweisverfahren entwickelt, mit denen aber nur ein Teil der möglichen Fälle entdeckt werden kann. Die Zahl der tatsächlichen Fälle scheint kaum abschätzbar. Die ForscherInnen aus Belgien fordern deswegen, dass geeignete Nachweisverfahren für jede Zulassung verfügbar gemacht werden müssen.
Neben dem Risiko der Kontamination mit Gentechnik-Bakterien gibt es auch offene Fragen, die die Enzyme betreffen: Diese müssen zwar seit einigen Jahren eine Risikobewertung durchlaufen, doch diese deckt nicht alle relevanten Bereiche ab. So ist beispielsweise nicht klar, inwieweit die Enzyme auch in den fertigen Lebensmitteln (wie Backwaren) noch aktiv sind. Zudem wird der Einsatz auf den Produkten nicht gekennzeichnet.
Testbiotech hatte sich wegen fehlender Nachweisverfahren und offenen Fragen bei der Risikobewertung bereits im August an die EU-Kommission gewandt. Bisher ist die Kommission aber nicht tätig geworden. Testbiotech warnt davor, dass sich die derzeitigen Probleme mit fehlenden Nachweisverfahren durch die mögliche Einführung von Organismen aus Neuer Gentechnik noch verschärfen werden, sollte die EU-Kommission die gesetzlichen Vorgaben hier lockern.
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