Lachs aus Neuer Gentechnik: Diskussion über Umweltrisiken

Wird Lachs mit künstlichen Gendefekten in Norwegen freigesetzt?

21. November 2023 / Im April 2023 wurde in Norwegen ein Antrag auf eine experimentelle Freisetzung von Lachsen aus Neuer Gentechnik (NGT) gestellt. Es ist der erste derartige Antrag in Europa. Jetzt liegt eine Risikobewertung von ExpertInnen aus Norwegen mit negativem Ergebnis vor. Bei den Fischen wurden mittels CRISPR/Cas Gene ausgeschaltet, die für die Entwicklung der Fortpflanzungsorgane wichtig sind. Ziel ist es, die sterilen Lachse, die auch zum Patent (WO2021198424) angemeldet sind, für die Fischmast einzusetzen. Die Tiere sollen in Gehegen im Meer freigesetzt werden, die mit Netzen umgeben sind.

Die gentechnisch veränderten Fische sollen Vorteile für die Aquakultur bieten. Insbesondere soll durch die Sterilität die Gefahr für eine Ausbreitung in der Umwelt verringert werden. Die Tiere könnten bei Bedarf auch länger gemästet werden als ihre konventionell produzierten Artgenossen, die bei Erreichung der Geschlechtsreife getötet werden. So könnte ein höheres Endgewicht erreicht werden.

Allerdings kommt das Norwegian Scientific Committee for Food and Environment (VKM) bei der Prüfung des Antrags zu einem ablehnenden Ergebnis, weil es bei der Bewertung der Umweltrisiken zu viele Unsicherheiten gibt. Laut VKM wurde nicht gezeigt, dass tatsächlich alle gentechnisch veränderten Tiere steril sind. Der Grund liegt in der mangelnden Präzision der Neuen Gentechnik: Bei den CRISPR-Lachsen gibt es zwischen den einzelnen Tieren erhebliche genetische Unterschiede in den veränderten Genen. Dadurch kann es auch bei der Auswahl der Tiere für die Mast zu Verwechslungen kommen, da nur ein Teil der Fische, die von den CRISPR-Lachsen abstammen, die erwünschten Merkmale aufweisen.

Laut VKM ist unklar, wie sich die CRISPR-Lachse in der Umwelt verhalten würden: beispielsweise könnten sie zu Konkurrenten von jüngeren Fischen der natürlichen Populationen werden, die in Flüssen rund um die Fischfarmen leben. Falls sie nicht völlig steril sind, könnten sie die künstlichen Gendefekte auch weitergeben und so die natürlichen Populationen schwächen. Zudem bestehe laut VKM das Risiko, dass die CRISPR-Lachse anfälliger für Krankheiten sind und dadurch zur Ausbreitung gefährlicher Erreger in den betroffenen Regionen beitragen.

Ob die Fische 2024 tatsächlich freigesetzt werden, ist aufgrund der Risikobeurteilung des VKM also zweifelhaft. Die AntragstellerInnen verweisen allerdings auf die Stellungnahme einer anderen ExpertInnenkommission, die die geplanten Freisetzungen für weniger risikoreich hält.

Interessant ist die Diskussion um die gentechnisch veränderten Lachse auch vor dem Hintergrund der geplanten Deregulierung der Neuen Gentechnik in der EU: Setzt sich die EU-Kommission mit ihren Plänen zur Deregulierung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik durch, ist zu erwarten, dass bald ähnliche Initiativen für Tiere folgen. Dann könnte es in der EU – anders als derzeit in Norwegen – in Zukunft auch bei Tieren aus Neuer Gentechnik keine verpflichtende Risikoprüfung mehr geben.

Kontakt:
Christoph Then, info@testbiotech.org, Tel 0151 54638040

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