8.6.2013 Auf einem Acker im US-Bundesstaat Oregon wurde vor Kurzem eine nicht zugelassene Linie von gentechnisch verändertem Weizen gefunden. Über die Ursache für das Auftreten der transgenen Weizenpflanzen besteht derzeit noch große Unklarheit. Der Weizen MON71800 wurde in den 1990er-Jahren von dem US-Unternehmen Monsanto entwickelt, die Firma stoppte die angestrebte Vermarktung jedoch im Jahr 2004. Die Weizenpflanzen enthalten ein Fremdgen (cp4epsps), das sie widerstandsfähig gegen Totalherbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat macht. Das cp4epsps-Gen findet sich auch in anderen herbizidtoleranten Gentechnik-Pflanzen wie Soja, Mais, Raps oder Baumwolle.
Da in den USA Weizen vor allem für den Export angebaut wird, könnten kontaminierte Weizenpartien auch in Europa in den Handel gelangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass insbesondere Weizen aus Oregon nach Europa importiert werden könnte, ist nach Aussagen des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMELV) allerdings gering, da der Löwenanteil der US-Weizenproduktion nach Asien geliefert wird. Dennoch wurden nach Informationen von Testbiotech auch deutsche Behörden, Untersuchungen durchzuführen. Seit einigen Tagen können derartige Tests europaweit durchgeführt werden, da Monsanto ein validiertes Verfahren zur Verfügung gestellt hat.
Laut Aussagen des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) hat Monsanto zwischen 1998 und 2005 mehr als 100 Freilandversuche mit MON71800 in einer Vielzahl von US-Bundesstaaten durchgeführt, darunter auch, bis zum Jahr 2001, im jetzt betroffenen Bundesstaat Oregon. Diese Zahl scheint allerdings fragwürdig. Daten des US-Landwirtschaftsministeriums zeigen, dass Monsanto bis zum Jahr 2005 knapp 200 Freisetzungen mit herbizidtoleranten Weizenpflanzen gemeldet hat.
Monsanto hat auch nach 2005 an der Entwicklung von herbizidtolerantem Weizen geforscht. Seit dem Jahr 2011 führt die Firma auch neue Freilandexperimente mit diesen Linien durch. Entgegen den Meldungen in verschiedenen Medien, in denen von zwei Feldversuchen mit einer Gesamtfläche von rund 72 Hektar die Rede ist, zeigen USDA-Daten, dass Monsanto seit 2011 in North Dakota und auf Hawaii insgesamt 14 Freilandversuche mit einer Gesamtfläche von über 280 Hektar gemeldet hat.
Eine Erklärung für das Auftreten von MON81700 – mehr als zehn Jahre nach dem offiziellen Ende von Freilandexperimenten mit der herbizidtoleranten Weizenlinie in Oregon – gibt es derzeit nicht. Es muss es jedoch als wahrscheinlich angesehen werden, dass es sich nicht um denselben Weizen handelt, den Monsanto bei den Freisetzungsversuchen in den Jahren 1998 bis 2005 verwendet hat. Das Unternehmen hat in diesem Zeitraum ausschließlich Versuche mit Sommerweizen (Sorte Bobwhite) durchgeführt. Die in Oregon gefunden transgenen Konstrukte fanden sich jedoch in den Winterweizensorten Rod bzw. WB528. Einige der möglichen Szenarien für das Auftreten von MON81700 sind:
1. Der transgene Weizen befand sich seit Ende der Freisetzungsversuche in Oregon 2001 auf dem betroffenen Feld und ist erst jetzt gekeimt
Diese Erklärung muss als unwahrscheinlich angesehen werden. Zum einen fand nach derzeitigem Stand keine Freisetzung in der unmittelbarer Nähe des betroffenen Feldes statt, zum anderen verlieren Samenkörner ihre Keimfähigkeit auf dem Feld vergleichsweise rasch. Unter Feldbedingungen wurde sogenannter Durchwuchs von glyphosattolerantem Weizen bislang maximal drei Jahre nach dem Anbau der Pflanzen gefunden.
2. Auskreuzung durch Pollenflug
Auch dies ist unwahrscheinlich. Auskreuzungen über große Distanzen (bis zu 2,7 Kilometer) sind bei Weizen zwar beschrieben, im Allgemeinen werden aber schon bei deutlich geringeren Distanzen keine Auskreuzungen mehr gefunden. Zudem hätten die Weizenkörner auch in diesem Fall nach wenigen Jahren ihre Keimfähigkeit verloren.
3. Auskreuzung in Wildarten
Genfluss zwischen Kulturweizen (Triticum aestivum) und seinen wilden Verwandten wurde in den vergangenen Jahren in verschiedenen Studien untersucht. Dabei zeigte sich, dass Weizen unter anderem in verwandte Arten wie Aegilops cylindrica, A. biuncialis und A. geniculata einkreuzen kann und diese Kreuzungen auch vermehrungsfähig sein können. Theoretisch könnte das transgene Konstrukt in eine Wildart eingekreuzt und von dort erneut in Winterweizen auf dem betroffenen Acker gelangt sein.
4. Kontamination von kommerziellem Saatgut
Verschiedene Fälle in den USA und Kanada zeigen, dass die Saatguterzeugung in Nordamerika anfällig für die Kontamination durch gentechnisch veränderte Pflanzen ist. In regelmäßigen Abständen wird daher kontaminiertes Saatgut von Landwirten angebaut und gelangt auch in die Lebensmittelkette. Bekannte Fälle sind unter anderem: Starlink-Mais, LL601-Reis , Triffid-Leinsamen oder Bt10-Mais (siehe dazu u. a. Then, 2009; Friends of the Earth, 2011). Eine mögliche Erklärung für das aktuelle Auftreten von MON71800 ist daher, dass diese Linie seit Jahren in konventionellem Weizen-Saatgut präsent war und aufgrund von fehlenden Tests unbemerkt geblieben ist. Die Winterweizen-Sorte WB528, die möglicherweise das transgene Konstrukt von MON71800 enthielt, stammt von der Firma WestBred, die zum Monsanto-Konzern gehört.
Eine fundierte Aussage über mögliche negative Gesundheitsauswirkungen von MON71800 kann auf der Basis der verfügbaren Informationen im Übrigen nicht getroffen werden, da nach den vorliegenden Informationen keine Fütterungsversuche mit den gentechnisch veränderten Weizenpflanzen durchgeführt wurden. DNA-Analysen zeigen allerdings, dass MON71800 zwei Versionen der Gen-Kassetten enthält. Eine davon unterscheidet sich deutlich von dem ursprünglich eingebauten Konstrukt. Die Wahrscheinlichkeit von unerwünschten Nebeneffekten steigt mit der Anzahl der Kopien der in die Pflanzen eingebrachten Konstrukte.
Quellen
US Department of Agriculture, Animal and Plant Health Inspection Service, http://www.aphis.usda.gov/newsroom/2013/05/ge_wheat_detection.shtml
Friends of the Earth (2011) The socio-economic effects of GMOs: Hidden costs for the food chain.. http://www.epi-gen.de/publikationen/Socio_economic_effects_gmos_FoEEbrie...
Monsanto, http://www.monsanto.com/gmwheat/Pages/default.aspx
Then, C. (2009) Schadensbericht Gentechnik. Herausgeber: Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). http://www.boelw.de/uploads/media/BOELW_Schadensbericht_Gentechnik090318...