Fachstelle Gentechnik und Umwelt sorgt weiter für Diskussionen
10. Oktober 2018 / Unter dem Titel “Schere im Kopf” erschien gestern in der Zeitung “Der Tagesspiegel” ein Bericht, der die Einrichtung der „Fachstelle Gentechnik und Umwelt“ in Frage stellt. Kritisiert wird, dass das Bundesamt für Naturschutz ausgerechnet einen „Anti-Gentechnik-Aktivisten“ damit beauftragt habe, die Risiken der neuen Gentechnikverfahren zu erforschen. Der Autor, Sascha Karberg, fragt sich, ob diese Fachstelle denn zu einem objektiven Urteil kommen könne, wenn in ihrem Beirat ausschließlich Organisationen vertreten sind, die der Gentechnik kritisch gegenüberstehen.
Anlass für den Artikel ist ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Fachstelle Gentechnik und Umwelt“. Dieses Projekt wurde von Testbiotech beim Bundesamt für Naturschutz beantragt und bereits 2017 bewilligt. Das Ziel ist die Bewertung aktueller wissenschaftlicher Literatur zu neuen Gentechnikverfahren wie CRISPR im Hinblick auf Risiken für Natur und Umwelt. An der Auswahl relevanter Fragestellungen sind Organisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) beteiligt.
Besetzt wird die Fachstelle aber nicht durch Testbiotech, wie der Artikel suggeriert, sondern durch eine Wissenschaftlerin, die zuvor an einem Max-Planck-Institut in Berlin selbst mit CRISPR gearbeitet hat. Durch das Verschweigen dieses wesentlichen Details, auf das Testbiotech in der Korrespondenz mit dem Tagesspiegel ausdrücklich hingewiesen hatte, wird der falsche Eindruck erweckt, die Fachstelle würde nicht wirklich wissenschaftlich arbeiten.
In der Printausgabe des Artikels werden weitere wichtige Informationen nicht genannt: Einrichtungen wie die Leopoldina und das Science Media Center werden als völlig objektive Institutionen dargestellt, deren Einschätzungen frei von irgendwelchen Interessen wären. Würde der Autor an diese Institutionen ähnlich kritische Maßstäbe anlegen wie an Testbiotech, müsste er erwähnen, dass an den gemeinsamen Gentechnikberichten von Leopoldina, Acatech und DFG oft Experten beteiligt sind, die z.B. selbst Patente im Bereich Gentechnik anmelden. Oder dass zu den Geldgebern des Science Media Centers auch die Gentechnik-Industrie (wie Bayer oder BASF) gehört.
Testbiotech teilt die Auffassung, dass wissenschaftliches Arbeiten strengen Maßstäben unterliegen und ergebnisoffen sein muss. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Forschungsergebnisse immer auch von den zugrundeliegenden Fragestellungen abhängen. Forschungsprogramme, bei denen Innovation und Produktentwicklung im Vordergrund stehen, sind in der EU die Regel. Forschungsprojekte, bei denen der Schutz von Mensch und Umwelt im Vordergrund stehen, sind dagegen die seltene Ausnahme. Solange dieses Missverhältnis nicht auch in den Medien thematisiert wird, bleibt ein ausgewogener Diskurs über die Risiken der Gentechnik schwierig.