EFSA: Verwirrung um Risiken der Neuen Gentechnik bei Pflanzen

Stellungnahme der Behörde unzureichend und irreführend

25. November 2020 / Testbiotech kritisiert die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) für ihre Bewertung der Verfahren der „Neuen Getechnik“ (NGT). Demnach ist die aktuelle EFSA-Stellungnahme zu CRISPR & Co  aus Sicht des Schutzes von Gesundheit und Umwelt irreführend und unzureichend.

Die EFSA behauptet in ihrer gestern veröffentlichten Stellungnahme, dass mit dem Einsatz von Gen-Scheren wie CRISPR/Cas an Pflanzen keine spezifischen Risiken einhergingen, wenn keine zusätzlichen Gene eingefügt werden. Gleichzeitig stimmt die Behörde aber der Aussage von Testbiotech zu, dass die Neue Gentechnik das Erbgut von Pflanzen auf neue Weise für Veränderungen verfügbar macht und ganz neue genetische Kombinationen ermöglicht, indem das Erbgut beispielsweise an mehreren Stellen gleichzeitig verändert wird.

In der Stellungnahme der EFSA geht es um Verfahren, die als SDN-1 und SDN-2 (site directed nucleases) bezeichnet werden. Dabei wird das Erbgut von Pflanzen mithilfe von Gen-Scheren wie CRISPR/Cas gentechnisch verändert, ohne zusätzliche Gene einzufügen. Diese Verfahren sind die derzeit am häufigsten eingesetzten Verfahren der Neuen Gentechnik bei Pflanzen. Bei der Mehrzahl dieser Pflanzen werden gleich mehrere Kopien eines Gens oder mehrere verschiedene Gene verändert, was zu biologischen Eigenschaften führt, die mit bisheriger Züchtung nicht oder nur sehr schwer erreichbar sind. Das zeigt beispielsweise die Liste von rund 80 NGT-Pflanzen, die bei der US-Landwirtschaftsbehörde bis September 2020 für mögliche Markteinführungen angemeldet wurden.

Doch mit den Risiken solch komplexer genetischer Veränderungen, wie sie für die Mehrheit der bisherigen NGT-Pflanzen typisch sind, befasst sich die Stellungnahme der EFSA überhaupt nicht. Dies liegt möglicherweise an einer weitreichenden Fehleinschätzung: Die EFSA ordnet NGT-Pflanzen mit derartigen Eigenschaften der „synthetischen Biologie“ zu. Deren Risiken werden von der EFSA in einer separaten Stellungnahme bewertet, die bislang noch nicht veröffentlicht ist. Da diese NGT-Pflanzen aber ebenfalls mit SDN-1- und SDN-2-Verfahren generiert wurden, ist diese Herangehensweise der EFSA irreführend. Es ist völlig unklar, wie und warum die EFSA Pflanzen, die mit der gleichen Technik gentechnisch verändert wurden, in verschiedene Kategorien unterteilt.

Konfus ist die EFSA auch bei der Bewertung von unbeabsichtigten Effekten. Die Behörde scheint der Auffassung zu sein, dass die Fehler, die die Gen-Schere bei ihrer Arbeit macht, auch bei konventioneller Züchtung auftreten können. Gleichzeitig gibt die Behörde zu, dazu keine umfassende Literaturrecherche gemacht zu haben. Offensichtlich vertritt die EFSA die vorgefasste Meinung, dass viele dieser Effekte gar nicht erst untersucht werden müssten. Wissenschaftliche Publikationen, die während der Konsultation eingereicht wurden und zu anderen Ergebnissen als die EFSA kommen, werden in der Stellungnahme nicht erwähnt. Das steht nicht im Einklang mit den üblichen wissenschaftlichen Standards.

Ein Teil dieser Verwirrung wurde möglicherweise durch die EU-Kommission verursacht, die der EFSA den Auftrag zu der Stellungnahme erteilt hatte. Die Kommission bereitet derzeit eine Studie zu den neuen Gentechnikverfahren vor, die im April 2021 vorliegen soll. Die Kommission hatte die EFSA nicht beauftragt, sich umfassend mit den Risiken der neuen Gentechnik zu befassen. Vielmehr sollte die Behörde nur eine alte Stellungnahme von 2012 auf ihre Tauglichkeit in Bezug auf die neuen Verfahren zu prüfen. Im Ergebnis ist die aktuelle Stellungnahme der EFSA widersprüchlich und unzureichend. Sie trägt nicht zur Klärung der Risiken von NGT-Pflanzen bei.

Kontakt:
Christoph Then, info@testbiotech.org, 0151 54638040

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