Ethik-Beratungsgremium der EU-Kommission legt Bericht über Neue Gentechnik vor

Testbiotech vermisst die notwendige Ausgewogenheit

22. März 2021 / Das Ethik-Beratungsgremium der EU-Kommission (European Group on Ethics in Science and New Technologies, EGE) hat ein Gutachten zu Neuer Gentechnik vorgelegt. Behandelt werden darin Anwendungen der Neuen Gentechnik an Menschen, Tieren und Pflanzen. Nach Ansicht von Testbiotech fehlt dem Kapitel über Pflanzen die notwendige Ausgewogenheit und wissenschaftliche Sorgfalt. Testbiotech wirft der EGE vor, sich konkret zu Fragen der Risiken von Gentechnik-Pflanzen zu äußern, ohne die Aussagen ausreichend wissenschaftlich zu begründen.

So behauptet die EGE, der Anbau von transgenen Pflanzen hätte zu keinen Schäden an der Umwelt geführt, was nicht zutreffend ist. Zudem werden die Unterschiede zwischen herkömmlicher Züchtung und Neuer Gentechnik nicht korrekt dargestellt. Es wird nicht gezeigt, welche spezifischen Risiken mit den jeweiligen Verfahren der Neuen Gentechnik einhergehen, und auch die Kosten für die Anwendung und Risikoprüfung der Verfahren sowie die Folgen der Patentierung werden nur einseitig beleuchtet.

Insgesamt werden so mögliche Vorteile einer Anwendung im Vergleich zu den Risiken viel stärker betont, als dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist. Damit erfüllt die EGE die hohen Standards nicht, die an derartige Gutachten angelegt werden müssen. Testbiotech bedauert dies, da die übrigen Kapitel des Gutachtens wissenschaftlich und argumentativ wesentlich besser begründet sind. Ein wahrscheinlicher Grund für die qualitativen Unterschiede zwischen den einzelnen Kapiteln: Die EGE verfügt wohl nur über einen einzigen Experten, der sich bisher eingehend mit gentechnisch veränderten Pflanzen befasst hat.

Testbiotech hatte sich jüngst eingehend mit Fragen der Regulierung der Neuen Gentechnik im Bereich der Pflanzenzüchtung befasst. Dabei wurde gezeigt, dass die Anwendungen von Genome Editing, bei denen zumeist die Gen-Schere CRISPR/Cas eingesetzt wird, in jedem Fall einer wissenschaftlichen Prüfung unterzogen werden müssen, bevor Aussagen über deren Sicherheit getroffen werden können. Dagegen behauptet die EGE, dass eine Risikoprüfung nur erfolgen müsse, wenn es sich um komplexe Veränderungen handelt. Das sei beispielsweise dann der Fall, wenn mehrere Gene ausgeschaltet wurden oder das Ergebnis der gentechnischen Veränderungen nicht mit konventioneller Züchtung hätte erreicht werden können.

Doch so einfach ist es nicht: Die Anwendungen der Gen-Schere CRISPR/Cas erfolgen mehrstufig und die resultierenden Veränderungen sind längst nicht immer präzise genug. Deswegen führt auch die Anwendung der jeweiligen Verfahren zu spezifischen Risiken. Es genügt daher nicht, nur die erwünschten Eigenschaften der Pflanzen zu bewerten. Zudem kann man oft erst nach eingehender Prüfung beurteilen, ob entsprechende Eigenschaften auch mit konventioneller Züchtung erzielt werden könnten.

Testbiotech lehnt daher den Vorschlag der EGE, nur bestimmte Pflanzen einer verpflichtenden Zulassungsprüfung zu unterziehen, ab. Falls Anpassungen der Risikoprüfung der Neuen Gentechnik an Pflanzen benötigt werden, besteht innerhalb der bestehenden Zulassungssysteme ausreichende Flexibilität. Die jeweiligen Pflanzen dürfen aber nicht von der Risikoprüfung ausgenommen werden.

Testbiotech wirft auch die Frage nach der Unabhängigkeit beteiligter ExpertInnen der EGE auf. Der wohl einzige Experte der EGE zum Thema Gentechnik an Pflanzen ist Julian Kinderlerer. Er ist bzw. war in herausgehobener Funktion in Organisationen tätig, die von der Gentechnikindustrie finanziert werden. Bekannt ist seine Tätigkeit für PRRI (Public Research and Regulation Initiative) und die ISBR (International Society for Biosafety Research). Bei PRRI ist Kinderlerer aktuell Mitglied des Steering Committee, bei der ISBR war er u.a. als Schatzmeister tätig.

Kontakt:
Christoph Then, info@testbiotech.org, Tel 0151 54638040

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