Freisetzung von Gentechnik-Mücken in Florida geplant

Behörden erteilen Genehmigung für Experimente mit 750 Millionen Moskitos

4. September 2020 / Die Firma Oxitec will 750 Millionen Gentechnik-Mücken in den US-Bundesstaaten Florida und Texas freisetzen. Geplant ist, nur männliche Tiere in die Umwelt zu entlassen, die sich dann mit den natürlichen weiblichen Mücken paaren. Dabei sollen nur die männlichen Nachkommen überlebensfähig sein, während die weiblichen aufgrund der gentechnischen Veränderung zugrunde gehen. Dieser Effekt soll sich auch in den nachfolgenden Generationen wiederholen, so dass die Mücken-Population insgesamt deutlich dezimiert wird. Die Versuche wurden bis Ende August von mehreren US-Behörden genehmigt, benötigen aber noch die Zustimmung weiterer lokaler Behörden. Der Beginn der Freisetzungen ist für 2021 geplant.

Sind die Versuche erfolgreich, könnten in den nächsten Jahren Milliarden der Gentechnik-Insekten freigesetzt werden, um in der Region die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) weitgehend zu verdrängen oder sogar auszurotten. Damit soll u.a. die Ausbreitung von Denguefieber bekämpft werden. Die Mücken übertragen diese Krankheit, ebenso wie Gelbfieber- und Zikaviren. Die Firma Oxitec wurde 2020 einem Investmentfonds übernommen und wird u.a. von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt.

Insbesondere weil sich die Gentechnik-Mücken in der Umwelt vermehren sollen, gehen die Versuche mit erheblichen Risiken einher. Es ist bekannt, dass sich die Eigenschaften von Nachkommen gentechnisch veränderter Organismen deutlich von denen unterscheiden können, die ursprünglich beabsichtigt waren. Grund dafür sind genetische Effekte, die sich aus der Hybridisierung mit den Wildtierpopulationen ergeben können. Zudem sind die Mücken und ihre Larven im Laufe ihres Lebenszyklus einer Vielzahl von Umwelteinflüssen ausgesetzt.

Diese Faktoren könnten auch das Überleben der weiblichen Tiere ermöglichen. Welche Gefahren mit dem Stich der weiblichen Gentechnik-Mücken einhergehen, wurde aber nicht genauer untersucht, weil laut der Firma Oxitec ihre Technologie zu 100 Prozent tödlich für die weiblichen Nachkommen sein soll. Diese Annahme könnte sich als falsch erweisen: Angesichts der hohen Anzahl der freigesetzten Mücken und deren Nachkommen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich aufgrund von unbeabsichtigten Effekten bei den weiblichen Tieren Resistenzen entwickeln, die ihr Überleben ermöglichen.

Ähnliche Unsicherheiten gibt es bei der Bewertung anderer Risiken für Mensch und Umwelt. Viele Daten, die für eine verlässliche Risikobewertung unverzichtbar wären, fehlen. Vor diesem Hintergrund rät Testbiotech dringend von den geplanten Freisetzungsversuchen ab.

Aber selbst wenn die Versuche erfolgreich sein sollten, könnte sich herausstellen, dass der Nutzen gering oder gar nicht vorhanden ist: In Florida gibt es eine weitere Mückenart, die in Konkurrenz zur Gelbfiebermücke steht, nicht weniger gefährlich ist und unter anderem auch das Denguefieber überträgt: die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus). Sollte die Gelbfiebermücke verschwinden, könnte dies die Ausbreitung der Tigermücke noch befördern.

Bereits in der Vergangenheit hatten Freisetzungsversuche der Firma Oxitec mit gentechnisch veränderten Mücken in Brasilien zu kontroversen wissenschaftlichen Diskussionen geführt: Obwohl bei diesen Versuchen die Nachkommen der Mücken nicht überleben und ihre Gene nicht vererben sollten, fanden sich nach den Freisetzungen doch Teile des Genoms der Labormücken in den natürlichen Populationen. Die Interpretation dieser Daten ist umstritten, widerlegt wurden die Befunde aber nicht.

Die Pläne von Oxitec stehen in einer Reihe mit anderen Projekten, bei denen erstmals in großem Maßstab auch wildlebende Arten wie Insekten, Nagetiere, Korallen oder Bäume gentechnisch verändert werden sollen. Mit sogenannten Gene Drives werden zudem Anwendungen entwickelt, um die Ausbreitung synthetischer Gene in natürlichen Populationen noch zu beschleunigen. Viele dieser Projekte zielen auf die gentechnische Veränderung von Mücken, die sich dann noch schneller verbreiten könnten als die Gentechnik-Insekten der Firma Oxitec. All diesen Vorhaben gemeinsam ist eine deutliche Zunahme der Risiken für Natur, Mensch und Umwelt ebenso wie eine weitgehende Unkontrollierbarkeit. Diese Probleme sind auch Gegenstand von Diskussionen auf internationaler Ebene wie der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) und in der EU.

Kontakt:
Christoph Then, info@testbiotech.org, Tel.: 0151 54638040

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