Gene Drives: ‚Target Malaria’ unterschätzt die Risiken

Pläne für Freisetzung von Gentechnik-Mücken basieren auf falschen Daten

17. März 2023 / Seit mehreren Jahren plant das Konsortium ‚Target Malaria’ Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Mücken in Burkina Faso. Dabei sollen Genkonstrukte in die natürlichen Mücken-Populationen übertragen werden, unter anderem soll ein sogenannter ‚X-Shredder‘ die Anzahl weiblicher Nachkommen reduzieren. Dadurch hofft man die Anzahl von Malaria-übertragenden Mücken (Anopheles gambiae) zu verringern. Wie aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, basieren die geplanten Freisetzungen aber auf falschen Daten und fehlerhaften Annahmen.

Nachdem Versuche in Käfigen, deren Ergebnisse 2019 und 2020 veröffentlicht wurden, erfolgversprechend verliefen, wurde die Freisetzung der Mücken für die nächsten Jahre angekündigt. 2022 wurde jedoch bekannt, dass diese Ankündigungen auf falschen Annahmen beruhen. Nach genaueren Untersuchungen mussten ExpertInnen von ‚Target Malaria‘ allerdings feststellen, dass die künstlichen Gene in ein anderes Chromosom integriert wurden als ursprünglich angenommen. Der genaue Ort der Insertion ist möglicherweise problematisch: Die betroffene Genregion (nahe den Zentromeren) ist wichtig für die Stabilität des Genoms in seiner Gesamtheit.

Weitere falsche Annahmen von ‚Target Malaria‘ betreffen u.a. das Risiko einer Genübertragung auf andere Arten: Die Mücken, die in den Versuchen verwendet wurden, waren seit Jahrzehnten als Anopheles gambiae klassifiziert, inzwischen werden diese aber als Hybridform der verwandten Art Anopheles coluzzii angesehen. Auch das hat Auswirkungen auf die Risikobewertung: Bislang ging ‚Target Malaria‘ davon aus, dass eine Übertragung der Genkonstrukte von einer Art (A. gambiae) auf eine andere Art (A. coluzzii) unwahrscheinlich sei. Wenn jedoch in den Versuchen eine Hybridform verwendet und freigesetzt wird, können über die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Genübertragung keine verlässlichen Aussagen gemacht werden.

In diesem Zusammenhang ist es auch bedenklich, dass bei jüngst veröffentlichten Experimenten mit dem ‚X-Shredder‘ bei der Mückenart A. coluzzii unerwartete genetische Unterschiede bei den Nachkommen der transgenen Mücken auftraten. Das zeigt, wie schwierig es ist, im Vorfeld von Freisetzungen die Folgen von Genübertragungen verlässlich vorherzusagen. Tatsächlich gibt es mindestens neun verwandte Arten von Anopheles-Mücken, die sich miteinander paaren können, von diesen übertragen sechs auch Malaria.

Das Beispiel des ‚X-Shredders‘ zeigt: Risikoprüfungen, die vor Freisetzungen gentechnisch veränderter Mücken gemacht werden, können durch falsche Annahmen rasch wertlos werden, bspw. in Bezug auf den Ort der Geninsertion oder die Konsequenzen von Genübertragungen und Hybridisierung. In der Folge kann das, was als kleiner Feldversuch geplant war, mit einer unkontrollierten Ausbreitung gentechnisch veränderter Mücken enden und zu unerwarteten Langzeitfolgen und möglichen Schäden an Mensch und Umwelt führen. In diesem Zusammenhang erscheinen auch die behaupteten positiven Effekte äußerst fraglich.

Die Versuche mit dem ‚X-Shredder‘ sollen als Test für nachfolgende Versuche mit sogenannten ‚Gene Drives‘ dienen. ‚Gene Drives‘ bewirken, dass sich die Genkonstrukte in natürlichen Mückenpopulationen wesentlich schneller ausbreiten können, indem sie die natürlichen Mechanismen der Vererbung überwinden. Der ‚X-Shredder‘, wie er 2014 entwickelt wurde, wird nicht als ‚Gene Drive‘ angesehen, soll aber auch über mehrere Generationen von den Mücken vererbt werden.

Die Ergebnisse aktueller Publikationen hat Testbiotech in einem Hintergrund für das Sekretariat der Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD) zusammengefasst, in deren Rahmen demnächst über die Risikobewertung von ‚Gene Drives‘ beraten werden soll. In der Folge ruft Testbiotech dazu auf, die Pläne für Freisetzungen von Mücken mit ‚X-Shredder‘ und ‚Gene Drives‘ zu stoppen.

Kontakt:
Christoph Then, info@testbiotech.org, Tel 0151 54638040

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