Unternehmen Oxitec versteckt sich hinter fragwürdigen Behauptungen
26. September 2019 / Das Unternehmen Oxitec zieht die Aussagen einer aktuellen Publikation in Zweifel, nach der es zu einer unkontrollierten Ausbreitung von Gentechnik-Mücken in Brasilien gekommen ist. Lediglich bis zu fünf Prozent der Tiere hätten überlebt und es gebe keine Hinweise darauf, dass sich diese in Zukunft weiter ausbreiten würden. Außerdem sei nicht bewiesen, dass sich auch die transgenen Eigenschaften mit den Mücken ausgebreitet hätten, die die Versuche überlebt haben. Die Behauptungen von Oxitec sind jedoch wissenschaftlich zweifelhaft.
In der wissenschaftlichen Publikation wurde darüber berichtet, dass viele Nachkommen der Gentechnik-Mücken überlebt haben und sich weiter ausbreiten. Nach den Erkenntnissen der ForscherInnen weisen in den betroffenen Regionen zwischen 10-60 Prozent der Mücken Teile des Erbgutes der freigesetzten Mücken auf. Deren Erbgut hat sich sogar in benachbarten Regionen ausgebreitet, in denen gar keine Freisetzungsversuche stattgefunden haben.
Testbiotech hat die Behauptungen von Oxitec, die die Ergebnisse dieser Publikation infrage stellen, näher untersucht und kommt zu der Einschätzung, dass diese wissenschaftlich fragwürdig sind. Testbiotech empfiehlt eine höhere Sorgfalt im Umgang mit Gentechnik-Organismen, die sich in der Umwelt ausbreiten und fortpflanzen können:
(1) Es ist problematisch, dass Oxitec keine Daten vorlegen kann, die beweisen, dass die transgenen Gen-Konstrukte sich nicht in der Umwelt ausgebreitet haben. Das ist ein Versagen der Sorgfaltspflicht des Unternehmens. Es ist dagegen unstrittig, dass eine Ausbreitung derjenigen Mücken stattgefunden hat, die für die gentechnischen Versuche verwendet wurden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das auch zu einer Ausbreitung der Genkonstrukte geführt hat, mit denen diese Mücken verändert wurden. Solange es keine Daten gibt, die das widerlegen, muss diese Annahme als die wahrscheinlichste angesehen werden.
(2) Die Annahme der Firma Oxitec, dass die überlebenden Gentechnik-Mücken in den nächsten Generationen jeweils nur zu fünf Prozent überleben können, würde voraussetzen, dass das zusätzliche Genkonstrukt im Erbgut der Mücken auch tatsächlich vollständig vorhanden und funktionsfähig ist. Dabei übersieht Oxitec aber, dass sich beim Übergang auf die nächsten Generationen die Struktur der eingefügten Gene und deren Funktion auch verändern kann.
(3) Die Aussagen von Oxitec über die zu erwartende Überlebensrate von bis zu fünf Prozent der Gentechnik-Mücken und die Verlässlichkeit ihrer Technologie erscheint nicht schlüssig. Fünf Prozent von über 50 Millionen Mücken, die laut der Publikation alleine in Jacobina freigesetzt wurden, sind keine Kleinigkeit. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass einige der Nachkommen dieser Mücken auch über längere Zeiträume in der Umwelt überdauern und sich dabei auch unerwartete Eigenschaften zeigen können. Die Technologie kann deswegen auch nicht als sicher und verlässlich angesehen werden.
(4) Entgegen der Behauptung von Oxitec, dass bei den Nachkommen der Mücken keine erhöhte Vitalität zu erwarten sei, ist es aus Sicht der Evolutionsbiologie eher wahrscheinlich, dass es doch zu entsprechenden Effekten kommt. Es ist unstrittig, dass eine Hybridisierung zwischen den brasilianischen Mücken mit den Mückenstämmen aus Mexiko und Kuba stattgefunden hat, die für die Gentechnik-Versuche verwendet wurden. Es ist zu befürchten, dass wenigstens ein Teil der Nachkommen eine höhere Angepasstheit aufweist als die einheimischen Mücken. Der Grund: Die biologischen Eigenschaften von hybriden Nachkommen zeigen oft eine höhere Bandbreite als die der Ausgangspopulationen. Wie sich dies langfristig auf die gesamte Mückenpopulation auswirkt, ist schwer abschätzbar. Es ist irreführend, dass Oxitec diese Risiken nicht erwähnt.
Ein gerade abgeschlossenes Pilotprojekt (GeneTip), an dem Testbiotech beteiligt war, zeigt: Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen, die in der Lage sind, sich in der Umwelt auszubreiten und zu vermehren, können andere, nicht vorhersagbare Eigenschaften aufweisen als die im Labor vermehrten Gentechnik-Organismen. Demnach sollten grundsätzlich keine Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen stattfinden, wenn es keine verlässlichen Möglichkeiten für deren räumliche und zeitliche Kontrolle gibt. Sind derartige Begrenzungsmöglichkeiten nicht gegeben, können auch die Risiken einer Freisetzung nicht verlässlich bewertet werden.
Dieses Problem ist insbesondere bei neuen von Oxitec geplanten Versuchen zu berücksichtigen: Hier sollen die männlichen Nachkommen der gentechnisch veränderten Mücken überleben und sich in den natürlichen Populationen weiter paaren können. Das Risiko, dass diese Freisetzungen außer Kontrolle geraten, ist nicht von der Hand zu weisen. Oxitec hatte bereits vor einigen Jahren Anträge auf Freisetzung von gentechnisch veränderten Olivenfliegen mit ähnlichen Eigenschaften in Spanien gestellt, diese aber nach kritischer Berichterstattung zurückgezogen. Es ist ein Grund zur Besorgnis, dass derartige Gentechnik-Insekten jetzt in anderen Regionen freigesetzt werden sollen.
Nach Ansicht von Testbiotech steht Oxitec unter hohem Erwartungsdruck von Investoren der US-Mutterfirma Intrexon. Daher scheint man angesichts eher unzureichender Erträge wohl gewillt, auch Risiken einzugehen, die man sonst vielleicht eher vermeiden würde.
Kontakt:
Christoph Then, Tel 0151 54638040, info@testbiotech.org