Wichtige Lücke in Risikobewertung deutscher Behörde
15. April 2015 / Eine aktuelle Recherche des Pestizid Aktions-Netzwerks (PAN Germany) deckt eine wichtige Lücke bei der Risikobewertung von Glyphosat durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf. Demnach gibt es derzeit mindestens zehn Studien, die zeigen, dass Glyphosat in Zellen sogenannten „oxidativen Stress“ auslöst, der auch zur Krebsentstehung führen kann. Diesen Wirkungsmechanismus hat das BfR jedoch außer Acht gelassen. Dieses Versäumnis könnte ein Grund dafür sein dass das BfR, anders als ein internationales Gremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zu dem Schluss kommt, dass Glyphosat nicht krebserregend ist.
Der Toxikologe Dr. Peter Clausing, der für das Pestizid Aktions-Netzwerk e. V. (PAN Germany) die vorliegenden Studien bewertet hatte, kritisiert: „Das BfR geht nur auf zwei Publikationen zum Thema oxidativer Stress ein, allerdings nicht im Zusammenhang mit einer möglichen Krebsentstehung. Mindestens acht weitere Untersuchungen aus den Jahren 2005 bis 2013, die über die Erzeugung von oxidativem Stress durch Glyphosat an Wirbeltieren wie Fischen, Kaulquappen, Mäusen und Ratten berichten, fanden überhaupt keine Erwähnung. Befunde dieser Art sind aber in Zusammenhang mit einer möglichen krebsauslösenden Wirkung relevant.“
Im Rahmen des Verfahrens zur weiteren Genehmigung von Glyphosat in der EU hat Deutschland als Berichterstatter eine Schlüsselrolle. Das für die gesundheitliche Neubewertung von Glyphosat zuständige BfR traf im Januar 2014 die Feststellung: „Langzeitstudien an Ratten und Mäusen ergaben keine Anhaltspunkte für eine krebserzeugende Wirkung von Glyphosat.“
Dieser Einschätzung widersprach am 20. März 2015 ein 17-köpfiges Expertengremium der WHO-Agentur für Krebsforschung (IARC), das Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ einstufte. Dafür zog das Gremium drei Kriterien heran – mögliche krebserzeugende Wirkung beim Menschen, Ergebnisse aus Tierversuchen und Erkenntnisse über mögliche Wirkungsmechanismen von Glyphosat wie die Auslösung von oxidativem Stress. Die IARC betrachtet die Erzeugung von „oxidativem Stress“ als einen von zwei Wirkungsmechanismen, über die Glyphosat seine wahrscheinlich krebserzeugende Wirkung ausübt. Oxidativer Stress entsteht, wenn hochreaktive chemische Stoffe die Fähigkeit von Zellen überfordern, solche schädlichen Verbindungen zu deaktivieren, was in der Folge zu Krebs führen kann.
Laut eigener Mitteilung hat das BfR am 1. April 2015 seinen endgültigen Glyphosat-Bewertungsbericht dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zur Weiterleitung an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) übergeben. Nach dem Wortlaut der dazu veröffentlichten Erklärung hat das BfR die Erkenntnisse des IARC aber nicht bewertet, sondern will dies der internationalen Zusammenarbeit von relevanten Gremien überlassen.
Ein entsprechender Hinweis auf die Bewertungslücke des BfR zum Thema „oxidativer Stress“ wurde bereits in einem Schreiben europäischer NGOs am 7. April 2015 an den Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis, adressiert. Jetzt wenden sich PAN Germany und Testbiotech in einem gemeinsamen Schreiben an das BfR mit der Bitte um Aufklärung dieses Versäumnisses.
Kontakte:
PAN Germany, Susan Haffmans, susan.haffmans@pan-germany.org, 040 399191025
Testbiotech, Andreas Bauer-Panskus, panskus@testbiotech.org, 0176 61176101