Raps und Leindotter im Fokus einer aktuellen Auswertung
28. November 2023 / Eine Auswertung aktueller wissenschaftlicher Publikationen zeigt, dass der Anbau von Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) mit Risiken für Bestäuber wie Bienen einhergehen kann. Diese sammeln neben Nektar auch den Pollen von Blütenpflanzen wie Raps und Leindotter. Doch die Inhaltsstoffe von NGT-Pflanzen können so verändert sein, dass der Pollen als Nahrungsgrundlage für Insekten nicht mehr geeignet ist.
Der jetzt vorliegende Hintergrund gibt einen umfassenden Überblick über aktuelle Anwendungen der Neuen Gentechnik (NGT) bei Raps und Leindotter, die wichtige Pflanzen für Bestäuber sind. Sie gehören zur Familie der Kreuzblütler und werden als Ölpflanzen angebaut. Schon die konventionelle Zucht von Raps und Leindotter veränderte die Ölqualität in Samen und Pollen. Die Neue Gentechnik kann diese Entwicklung erheblich beschleunigen, ausweiten und mögliche Auswirkungen verschärfen.
Ein Ziel des Einsatzes der Neuen Gentechnik bei Raps und Leindotter ist es, den Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Omega-3 und Omega-6) drastisch abzusenken. Der Grund: Diese Fettsäuren sind schlecht geeignet für die Herstellung von Agrosprit. Wird der Gehalt der mehrfachen ungesättigten Fettsäuren in der Pflanze abgesenkt, so sinkt auch deren Konzentration im Pollen. Doch diese Fettsäuren haben für Insekten wichtige Funktionen, unter anderem beeinflussen sie deren Gehirnfunktionen und Fortpflanzung. Nehmen Insekten zu wenig mehrfach ungesättigte Fettsäuren mit ihrem Futter auf, kann das den Erhalt ihrer Populationen gefährden.
Schon jetzt gibt es rund 50 Publikationen zu NGT-Raps und NGT-Leindotter, dabei kommt meist die Gen-Schere CRISPR/Cas zum Einsatz. In etwa 20 Fällen wird die Menge oder die Zusammensetzung des Öls verändert. In über 15 Veröffentlichungen geht es außerdem um Eigenschaften wie eine erhöhte Anzahl von Samen, was eine unkontrollierte Ausbreitung der Pflanzen fördern kann. Dies ist bei Raps und Leindotter besonders bedenklich, weil sich diese beiden Arten auch leicht mit verwandten Wildpflanzen kreuzen können.
Eigenschaften wie die Zusammensetzung des Öls bzw. der Fettsäuren und die Anzahl der Samen können auch mit konventioneller Zucht bearbeitet werden. Doch die Ergebnisse des Einsatzes der Gen-Schere gehen schon jetzt über die bisher bekannten Eigenschaften der Pflanzen hinaus. Oft kann nur nach einer eingehenden Risikoprüfung entschieden werden, welche Eigenschaften tatsächlich neu sind und ggf. mit Risiken verbunden sind.
Zudem ergibt sich eine Fülle von neuen Kombinationsmöglichkeiten u.a. durch die Möglichkeit, mehrere Gene gleichzeitige zu verändern. Mit zunehmender Zahl der Anwendungen wird es aber immer schwerer, die Auswirkungen realistisch abzuschätzen. Dabei müssen auch unbeabsichtigte Effekte berücksichtigt werden, die durch die Verfahren der Neuen Gentechnik ausgelöst werden und größere Anteile des Erbguts betreffen können.
Eine realistische Abschätzung der Risiken ist auch deswegen schwierig, weil es nicht allein auf einzelne Eigenschaften ankommt: Ähnlich wie bei der Verschmutzung der Umwelt mit Plastik und Chemikalien muss es nicht eine bestimmte Gentechnik-Pflanze sein, die die Probleme verursacht. Vielmehr kann die Gesamtheit der Auswirkungen unterschiedlicher Gentechnik-Organismen und ihre Wechselwirkungen entscheidend sein. Dabei können Umweltprobleme bzw. Organismen lange in der Umwelt überdauern und viele zukünftige Generationen belasten. Sollte die Neue Gentechnik in der Landwirtschaft eingesetzt werden, ist es deswegen unerlässlich, sowohl die Risiken der einzelnen Pflanzen als auch ihre Wechselwirkungen untereinander zu prüfen, wie es das aktuelle Gentechnikrecht auch vorsieht.
Doch die EU-Kommission plant, die bisherigen Regelungen aufzugeben. Die meisten Pflanzen aus Neuer Gentechnik würden dann keiner verpflichtenden Risikoprüfung mehr unterzogen. Auch viele der jetzt in der Übersicht angeführten Beispiele würden dann Pflanzen aus konventioneller Zucht rechtlich gleichgestellt. Die Neue Gentechnik würde so zu einem zunehmenden Risiko für die Umwelt (wie für Bestäuber und Nahrungsnetze). Auch Risiken für die menschliche Gesundheit sind keineswegs auszuschließen.
Derzeit verhandeln die Kommission, die EU-Mitgliedsländer und das EU-Parlament über die neuen Regelungen. Dabei fordert die EU-Kommission eine weitgehende Deregulierung sowohl von Ackerpflanzen, als auch von Wildpflanzen und Bäumen. Viele BeobachterInnen sehen es mit Sorge, dass ein unnötig aufgebauter Zeitdruck es unmöglich machen könnte, die Risiken der Neuen Gentechnik angemessen zu berücksichtigen.
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Christoph Then, info@testbiotech.org, Tel 0151 54638040