NGT-Pflanzen: EFSA übersah extrem wirkungsvolle und risikoreiche Anwendungen

Testbiotech warnt EU-Kommission und Parlament vor weitreichenden Folgen

17. April 2024 / Bei der Bewertung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) hat die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA äußerst wirkungsvolle und risikobehaftete Anwendungen übersehen. Das ist besonders besorgniserregend, weil die EFSA dafür verantwortlich ist, die EU über die möglichen Risiken von NGT-Pflanzen korrekt zu informieren. Sind ihre Berichte nicht korrekt oder irreführend, kann dies zu Fehlern bei der Gesetzgebung führen und schwere Folgen für den Schutz von Mensch und Umwelt haben.

Wie mehrere Publikationen zeigen, ist die Gen-Schere CRISPR/Cas höchst effektiv beim Ausknipsen (Knock-out) von Genen, die für sogenannte Mikro-RNAs (miRNA) kodieren. Die miRNA-Moleküle regulieren vielseitige und komplexe Funktionen, wie Wachstum und Entwicklung oder auch Stressreaktionen. Schon wenige Veränderungen an den Genen, die für die Produktion der miRNAs zuständig sind, können tiefgreifende Veränderungen im Stoffwechsel der Pflanzen auslösen. An diesen regulatorischen Netzwerken können hunderte von Genen beteiligt sein. Trotzdem hat die EFSA diese NGT-Anwendungen in ihren Stellungnahmen zu NGT-Pflanzen nicht berücksichtigt.

Aufgrund der Genomorganisation von Pflanzen kann das Ausschalten von miRNA-Genen mit konventioneller Zucht kaum erreicht werden. Bisher konnten ähnliche Effekte nur durch transgene Pflanzen erzielt werden. CRISPR/Cas ist diesbezüglich aber noch deutlich effizienter und kann mehrere miRNA-Gene gleichzeitig ausschalten.

Wie groß die Eingriffstiefe ist, die durch den Knock-out von miRNA-Genen erreicht wird, wurde zum Beispiel an Reispflanzen gezeigt: Chinesische und US-amerikanische ForscherInnen (Zhou et al., 2022) schalteten zwei Gene einer Familie von miRNA-Genen aus, die sowohl an Wachstum und Entwicklung als auch an Wechselwirkungen mit Pflanzenpathogenen beteiligt ist. Sie beobachteten Veränderungen in der Expression von insgesamt 119 miRNA-Genen und insgesamt 763 weiteren Genen, die für Proteine kodieren. Die AutorInnen stellen fest, dass derartige NGT-Pflanzen direkt von ZüchterInnen eingesetzt werden könnten und v.a. weniger regulatorischen Hürden ausgesetzt wären als transgene Pflanzen.

Aktuell müssen transgene Pflanzen, in denen Funktionen von miRNA-Genen unterdrückt werden, eine Risikobewertung durchlaufen, bevor Freisetzungen stattfinden können. Das wäre für NGT-Pflanzen aber nicht der Fall, falls die von Kommission und Parlament vorgeschlagenen Pläne für eine Deregulierung umgesetzt würden: Die gentechnischen Veränderungen, die für einen Knock-out von miRNA-Genen notwendig sind, stimmen perfekt mit den Ausnahmen überein, die in den aktuellen Vorschlägen für eine Deregulierung von NGT-Pflanzen vorgesehen sind. In der Folge könnten NGT-Pflanzen mit neuen Eigenschaften und risikobehafteten Veränderungen in die Umwelt entlassen werden, ohne dass zuvor die Risiken geprüft würden.

Testbiotech fordert die EFSA auf, ihre Stellungnahmen zu überarbeiten. Zudem sollten die Kommission und das Parlament ihre Vorschläge zur Deregulierung von NGT-Pflanzen zurückziehen. Bevor weitere Diskussionen gestartet oder sogar Beschlüsse gefasst werden, müssen viel mehr Fallstudien und Risikoszenarien erstellt werden, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu schaffen.

Weitere Details sollen am Freitag, 19.4.2024 (10-12 Uhr), auch in einem Online-Workshop vorgestellt werden. Anmeldung unter: astrid.oesterreicher@testbiotech.org

Kontakt:
Christoph Then, info@testbiotech.org, Tel 0151 54638040

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